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Laufende Dissertationen

"Ersatzstoff, Werkstoff, Kunststoff. Eine Stoffgeschichte des Biopolymers Vulkanfiber"

Die Vulkanfiber ist ein aus nachwachsenden Rohstoffen hergestelltes Biopolymer und einer der ersten industriell fabrizierten Kunststoffe. In seinem Dissertationsprojekt erforscht Simon Große-Wilde die Stoffgeschichte dieses historischen Kunststoffs im 20. Jahrhundert und
fragt nach den Zusammenhängen zwischen den technischen Eigenschaften und der Nutzung der Vulkanfiber in den unterschiedlichen ökonomischen, politischen sowie gesellschaftlichen/sozialen Kontexten. Um ein ganzheitliches Abbild der Vulkanfiber entwickeln zu können, werden sowohl die Entwicklung und Produktion, als auch die Anwendnung und der kulturhistorische Gebrauch des Werkstoffs untersucht. In einem weiteren Schritt soll das aus den historischen Quellen aufbereitete Wissen über den Werkstoff in die gegenwärtige Diskussion über unsere materielle Kultur einfließen und darüber hinaus der aktuellen Materialwissenschaft für eine breitere Anwendung der Vulkanfiber verfügbar gemacht werden.


"Das Innovationssystem der westdeutschen Automobilindustrie und die Kraftfahrtforschung 1950 - 1990"

Das Promotionsvorhaben untersucht die Genese des Innovationssystems der westdeutschen Automobilindustrie ab den 1950er Jahren bis zur deutschen Wiedervereinigung. Eine zentrale Frage lautet, wie sich die Herausbildung der unternehmenseigenen Forschungsinfrastruktur im Kontext des „Wirtschaftswunders“, von Marktentwicklungen und nicht zuletzt staatlicher Regulierungs- und Fördermaßnahmen vollzog. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fanden Grundlagen- und angewandte Forschung vor allem in den Laboratorien der Technischen Hochschulen statt. Hier entstanden erste Wissensbestände zur technischen Entwicklung des Automobils. Die größeren deutschen Hersteller verfügten, insbesondere im Vergleich zu den Konzernen in den USA, nur über sehr bescheidene Entwicklungseinrichtungen. Kraftfahrzeuge waren wesentlich das Ergebnis eines empirischen Entwicklungsprozesses.
Erst nach 1945, und nur allmählich, richteten die Automobilhersteller eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ein. Die Hochschulen übernahmen zunehmend die Rolle der Ausbildungsstätte für spezialisierte Kraftfahrzeugingenieure. Zudem gründeten sie teilweise als gänzlich neues Element des Innovationssystems eigene Entwicklungsdienstleister außerhalb der Hochschulstrukturen. Diese „akademischen Spin-offs“ gelten als einzigartig in der weltweiten Automobilentwicklung. Auf der Basis von Archivbeständen und einer umfassenden Recherche in nationalen und internationalen Fach- und Verbandspublikationen ist nach dem Entstehungskontext, Personen und der Entwicklung einzelner solcher „Hidden Champions“ im Betrachtungszeitraum zu fragen.


"Forschung und Innovation. Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde
und die Werkstoffinnovationen in Wissenschaft und Industrie (1950-2000)"


In der Historischen Innovationsforschung wird den technisch-wissenschaftlichen Vereinen eine für den gesamten Innovationsprozeß entscheidende Funktion zugeschrieben. Durch die Gemeinschaftsarbeit ihrer Ausschußsysteme bilden sie die Scharniere zwischen Wissenschaft und Praxis und sorgen für den Problem- und Wissenstransfer. Dabei wirken sie zugleich auf die sie konstituierenden Disziplinen zurück.
Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde (DGM) übernahm diese Funktion im Bereich der Nichteisen-Metalle seit 1919. Ziel der Dissertation ist die Untersuchung der Rolle der DGM und ihre Bedeutung für das nationale Innovationssystem ab 1950. Außerdem wird gefragt, welche Beiträge aus der Gemeinschaftsarbeit konkret zur Innovationskraft der Industrie und damit zum Wohlstand in der BRD beigetragen haben.


Alina Potempa, M.A.

"Wie Katholiken die moderne Ökonomie entdeckten –
Rezeptionsweisen, Initiativen und Ambitionen im Kontext von Katholischer Spätaufklärung und Ultramontanismus bis 1865"


Das Dissertationsprojekt nimmt die ökonomischen Vorstellungen zweier international ausgewählter Katholiken in den Blick, die sich im Kontext von Katholischer Spätaufklärung (I. H. v. Wessenberg, 1774-1860) bzw. Ultramontanismus (C. Périn, 1815-1905) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zeitgenössischen ökonomischen Diskursen und Theoremen positionierten. Auf Basis einer Erarbeitung ihrer in vielen Aspekten gegensätzlichen ideengeschichtlichen Kontexte sollen katholische Rezeptionsweisen der modernen Ökonomie herausgearbeitet werden, die sich in praktischen wie theoretischen Initiativen manifestierten. Außerdem sind die möglicherweise gerade in der spezifischen katholischen ‚Lagerzugehörigkeit‘ gründenden Ambitionen, sich gerade als Katholik in zeitgenössische ökonomische Diskurse einzumischen, vergleichend zu untersuchen.


Jan Cassel, M.A. und M.Ed.

"Die Entwicklung des deutschen 'Standardpanzers' in der frühen Bundesrepublik (1956-1965)"

Etwas mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann die Rüstungsindustrie der noch jungen Bundesrepublik, sich im Zuge der Wiederbewaffnung wieder mit der Entwicklung eines sog. „Standardpanzers“ für die neugegründete Bundeswehr zu befassen; eine weitere Dekade später wurde mit dem Kampfpanzer LEOPARD das Ergebnis dieser Bemühungen tatsächlich in Dienst gestellt. Die finale Konstruktion war dabei so überzeugend, dass sie sich zudem als „Exportschlager“ erwies und im Laufe der Zeit von zwölf weiteren Nationen genutzt wurde und teils sogar noch wird.
Mein Forschungsprojekt soll sich auf die beteiligten Akteure in Industrie und Streitkräften während der Prototypenphase ab 1956 konzentrieren und untersuchen, warum man trotz eines fast zehnjährigen Entwicklungsverbotes ab Kriegsende in der Lage war, nahezu verzugslos und unter anfänglicher Berücksichtigung deutsch-französischer Vorstellungen eine hoch technisierte Waffe zu konstruieren.


Nikolai Ingenerf M.A.

"Von der Mechanisierung zum vernetzten System – Automatisierung des Ruhrbergbaus seit den 1960er Jahren"

Es mutet paradox an, aber im Angesicht der existenziellen Krise(n) seit 1958 erfand sich der westdeutsche Steinkohlenbergbau innerhalb von 20 Jahren zumindest in technischer Hinsicht beinahe neu. Doch trotz entsprechender Vorhaben der europäischen Nachbarländer und eines breiten öffentlichen Diskurses um Automatisierung, blieb die Einführung vollautomatischer Anlagen hierzulande stets eine Randdiskussion. Vor diesem Hintergrund untersucht das Dissertationsvorhaben am Beispiel des Untersuchungsgegenstandes „Grubenwarte“, welche Rolle Automatisierungsideen und –vorhaben im Kontext von Boom und Krise des Steinkohlenbergbaus in der Bundesrepublik bis in die 1980er Jahre hinein spielten.


Theresa Witt M.A.

"Die Entwicklung der technischen Wissenschaften in Deutschland am Beispiel der Integration technischer Fakultäten in die Ruhr-Universität Bochum 1946-1972"

Mit dem Ziel, einen „Ingenieur neuen Typs“ auszubilden, wurde die Ruhr-Universität Bochum 1965 als erste Volluniversität ihrer Art gegründet und vereinte erstmalig technische Fakultäten mit dem klassischen Fächerkanon der Universität. Die gemeinsame Ausbildung der Studierenden an einem Ort sollte den Ingenieur menschlicher werden lassen und der Technik den ihr gebührenden Stellenwert zukommen lassen. Doch die Forderungen, humanistische Bildungsinhalte in das Ingenieurstudium zu integrieren, knüpften an einen langjährigen Diskurs über die zunehmende Spezialisierung der Technik seit dem 19. Jh. an. Das Forschungsvorhaben setzt sich mit der Frage auseinander, welche Konzepte für die Ingenieurausbildung der Gründung dieser ersten Volluniversität zugrunde lagen und analysiert hierfür technisch-wissenschaftliche Zeitschriften sowie bildungspolitische Gutachten und Denkschriften im genannten Betrachtungszeitraum.


Abgeschlossene Dissertationen

Jan Christoph Greim, M.A.

"Vom Stockfisch zum Fischstäbchen. Die Industrialisierung des Nahrungsmittels Seefisch (1860er-1960er Jahre)"

Heute ist Seefisch ein hochindustrielles, saisonal unabhängiges und weltweit verfügbares Nahrungsmittel. Der vorausgehende Industrialisierungsprozess gipfelte Ende der 1950er Jahre in der Abkehr vom Natürlichen - dem Fisch - hin zum genormten Tiefkühl-Filetblock, als neuer Rohstoff und dem Fischstäbchen als modernes Convenience Food. Vorbedingung dieser Entwicklung ist der im ausgehenden 19. Jahrhundert einsetzende industrielle Fischfang und die daraus resultierende Notwendigkeit, für die Massenanlandungen neue Absatzmärkte sowie geeignete Konservierungstechniken zu erschließen. Aus technikhistorischer Sicht fragt die Studie nach den politischen, wirtschaftlichen und technischen Treibern, die zu diesem Industrialisierungsprozess in der Fischwirtschaft führten. Der Wandel der Essgewohnheiten wird aus kulturhistorischer Perspektive hinterfragt.


Dirk Wiegand

"Innovation durch Normung – Die Geschichte technischer Regelsetzung unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalen Technik"

Serienfertigung bedingt Austauschbau auf Grundlage technischer Regelsetzung. Technisierte Gesellschaften benötigen für juristische Aushandlungen eine Beschreibung des „Stands der Technik“. Normen, die in ein konsistentes Regelwerk eingebunden sind, einer institutionellen Kontrolle unterliegen sowie in einem transparenten Prozess formuliert werden, lassen sich im Sinne der Neuen Institutionenökonomik interpretieren. Durch diese allgemeine Akzeptanz sind Normen elementar bei der Realisierung und Diffusion von Innovationen.
Das Dissertationsvorhaben untersucht am Beispiel der Städtereinigung sowohl die Innovationsleistung der Normung unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Umwelt- und Technikgeschichte, als auch die Tragfähigkeit des methodischen Zugangs über den Begriff der „Leitsemantik“.


Wilfried E. Tittmann

"Die Nürnberger Handfeuerwaffen vom Spätmittelalter bis zum Frühbarock.
Der Beitrag Nürnbergs zur militärischen Revolution der Frühen Neuzeit."


Die ‚Militärische Revolution’, 1955 als Forschungsparadigma im englischsprachigen Raum eingeführt, umfasste bekanntlich drei Hauptkomponenten: 1. Die Einführung der Pulverwaffen, 2. den Übergang von Feudalaufgeboten („Ritterheeren“) zu infanterie- und kavalleriegestützten Söldnerheeren und 3. einen dramatischen Anstieg der Heereszahlen und die Einrichtung der stehenden Heere in der Frühen Neuzeit. Die vorliegende, mit Auszeichnung bewertete Studie hat es sich zum Ziel gesetzt, die oftmals verkannte Rolle der „kleinen“ Feuerwaffen im revolutionären Transitionsprozess anhand der Nürnberger Handfeuerwaffen exemplarisch aufzuzeigen und das Bild der „military revolution“ zu revidieren. Nürnberg, seinerzeit die europäische Handwerksmetropole und Innovationszentrale des späten Mittelalters, erweist sich dabei nicht nur als treibende Kraft bei der technischen Entwicklung von Pulverwaffen, sondern unterhielt als „Arsenal des Reiches“ auch einen regen Handel mit seinen hochwertigen, durch Beschau kontrollierten Artefakten. Dadurch nahmen Stadt und Standort Nürnberg einen entscheidenden, bis heute nicht ausreichend gewürdigten Einfluss auf den Wandel des europäischen Kriegswesens im Zeitraum von ca. 1450 bis 1632 mit dem neubestimmten Schwerpunkt in der Mitte statt im Westen und Süden des Kontinents.