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Neujahrskonzert 2024

"Klangfluten"am 13. & 14. Januar 2024

Die kleinen blauen Papierschiffchen aus den übriggebliebenen Plakaten an den Balkonen des ausgebuchten Audimaxes machten es den Besucher:innen von Anfang an ganz klar, um was es bei den „Klangfluten“-Neujahrskonzerten des Sinfonisches Blasorchesters der Ruhr-Universität Bochum ging. Der Regen in den Schweizer Alpen, der Verlauf von Deutschlands größtem Fluss, dem Rhein, von der Quelle bis zum Flussdelta und im Wasser schwimmende Wale und Seeungeheuer: Wasser zog sich als roter Faden durch das Programm der Konzerte.

Ich war noch nie bei so einem Konzert, aber ich fand es total beeindruckend“, sagt Zuschauer Kai Fedrau (27) aus Hiltrop. Es begeisterte ihn, wie gut man die einzelnen Instrumente des Orchesters heraushören könne. Der Bochumer gehört zu den rund 3600 Glücklichen, die eine Karte ergattern konnten. Denn beide Konzerttermine waren bereits über zwei Monate im Vorfeld komplett ausgebucht. Die Tickets waren nur gut zwei Wochen verfügbar, weitere Reservierungen landeten auf der Warteliste. Bis zum Konzertwochenende hofften noch einmal weitere 1300 Menschen auf eine Karte. „Unser Publikum ist einfach sagenhaft“, findet Dirigent Uwe Kaysler, der das Orchester bereits seit dem ersten Semester im Sommer 2014 leitet. „Wenn in kürzester Zeit knapp 4.000 Tickets gebucht werden, obwohl das Konzert erst Monate später stattfindet, ist das schon sehr bemerkenswert.“ Es mache immer wieder Freude vor diesem fantastischen Publikum zu spielen. Das Orchester habe hervorragend gespielt.

Zum Orchester gehören in diesem Semester 85 Musiker:innen – auch Paula Hesterberg, die zum ersten Mal mitspielt. Für sie ist es das erste Konzert in einem so großen Orchester gewesen, obwohl sie bereits elf Jahre Posaune spielt. „Die Atmosphäre war ganz besonders, weil das Audimax fast bis auf den letzten Platz voll war. Vor so vielen Menschen spielen zu dürfen und am Ende einen so großen Applaus zu bekommen war wirklich toll“, sagt die 20-jährige Psychologiestudentin.
Mit einer Schiffsreise über den Atlantik zur „Atlantic Overture“ ging es in der ersten Hälfte des Konzertprogramms los. Danach führte der Weg  nach Schottland zu einem See bzw. „Loch“ in den Highlands, umgeben von Bergen („By Loch and Mountain“) und zum berühmten Loch Ness und dem Seeungeheuer „Nessi“ mit dem sich Protagonist Angus im Film „The Water Horse“ anfreundet. Zur Filmmusik zu „Inception“ von Hans Zimmer versuchte das Orchester zusammen mit dem Publikum, Träume zu klauen. Schon die moderne Variation der Ballettmusik zum „Nussknacker“ riss die Zuschauer:innen von ihren Sitzen – und da war gerade erst einmal Pause.

„Die erste Hälfte war sehr gut, innovativ und abwechslungsreich. Das mit dem Nussknacker auch etwas Jazzigeres dabei war, hat mir gut gefallen“, sagt Charlotte Bretthauer (31), die früher selbst in dem Orchester mitgespielt hat. Sie sitzt zwar nicht mehr selbst unten auf der Bühne im Audimax, kommt zum Zuhören aber immer noch gerne zum Konzert. Für Priska Strätker (17) läuft es genau anders herum. „Ich habe die SBR-Konzerte schon als Kind besucht und wollte immer dort spielen“, erzählt die Posaunistin. „Dieses Semester war es dann so weit.“, sagt Priska. Ihr erstes SBR-Konzert sei für sie deswegen sehr besonders gewesen.

Kurz nach der Pause und einem Whalewachting Bootstrip mit „Sailing with Whales“ schwebte die Melodie von Celine Dions „My heart will go on” nur gespielt von den Querflöten durch das ausgebuchte Audimax. Das Sinfonische Blasorchester begleitete die Titanic, das damals größte Schiff der Welt, musikalisch auf dem Weg von Southampton nach New York. Die atmosphärige Darbietung war so emotional gelungen, dass einige Zuschauer:innenspäter sogar erzählen, sie hätten fast weinen müssen. Damit es beim Konzert so gut klappt, haben die Musiker:innen viel Zeit und Übung in das Stück gesteckt, vor allem auch die Klarinetten. „Dass der Anfang von Titanic geklappt hat, ist abgesehen von der guten Stimmung im Publikum, mein persönliches Highlight gewesen“, sagt SBR-Klarinettistin Jasmin Schmerse lachend. Die 22-jährige studiert Slavistik und russische Kultur an der RUB und hat dabei auch vom SBR erfahren – nämlich in ihrem Russisch-Kurs. Katharina, Piccolo-Flötistin im SBR, hatte dort vor einigen Semestern auf Russisch vom Orchester erzählt. Das hat Jasmin, die seit zehn Jahren Klarinette spielt, überzeugt. „Es ist ein Wunder, dass ich das überhaupt verstanden habe und in diesem Jahr habe ich mich daran zurückerinnert.“ Das Konzertwochenende im Wintersemester ist ihr erstes mit dem SBR gewesen. „Ich habe mich vorher schon lange darauf gefreut, weil es in den Proben so viel Spaß gemacht hat und ich selbst schon so beeindruckt war vom SBR, dass es quasi unaushaltbar war, noch warten zu müssen, bis andere unsere Ergebnisse hören können“, erzählt die 22-Jährige.

Seit Ende Oktober probte das SBR für die Konzerte rund 65 Stunden, oft auch zehn Stunden an nur einem Wochenende. Was für andere nach sehr viel Zeit klingt, heißt für die beiden Posaunistinnen Paula und Priska vor allem eins: Viel Spaß. „Es ist ziemlich cool, dass die Stimmung im SBR so ausgelassen und entspannt ist. Das gestaltet die ein oder andere Probe sehr lustig“, grinst Paula. Und alle seien immer motiviert auf die Konzerte hinzuarbeiten, ergänzt Sitznachbarin Priska. Das kommt auch beim Dirigenten drei Reihen weiter vorne an. „Die Arbeit während der Proben mit dem Orchester ist wirklich dankenswert“, sagt Uwe Kaysler. Das Engagement sei hoch, um das anspruchsvolle Programm zu meistern.

Das Publikum belohnte die viele Arbeit an beiden Konzerttagen mit stehenden Ovationen. Das sei für sie sehr besonders gewesen, sagt Jasmin. Es sei ihr so vorgekommen, dass das Konzert die beste Version aller Stücke war, die man bisher gehabt habe. „Obwohl wir alle unmittelbar nach Konzertende natürlich schon bemerkenswert detailliert Stellen aufzählen konnten, die nicht geklappt haben“, sagt sie lachend. In der zweiten Hälfte des Konzertes vertonte das SBR den Verlauf des Rheins mit den „Rhine River Impressions“. Das große Hornsolo in diesem Stück spielte Lucas Dahinden. Für ihn ist es bereits das dritte Semester im Sinfonischen Blasorchester der RUB. „Das Konzertwochenende ist immer ein Highlight für mich und ich freu mich, dass ich diese Freude mit so vielen Zuschauern teilen darf“, sagt er.

Als Lucas eine Postdocstelle als Mathematiker an der RUB bekommt, meldet er sich für alle Orchester an der Uni an. Dem SBR ist er seitdem treu geblieben und das nicht nur, weil die Größe des Orchesters, des Hornregisters und des Audimaxes so imposant seien. Das Orchester ist wohl das bestorganisierte Orchester, in dem ich bisher mitgespielt habe“, sagt Lucas lachend. Und: „Die Musiker sind so herzlich und offen, man fühlt sich sofort aufgenommen. Bei dieser Atmosphäre zu musizieren macht extrem viel Spaß. Ich glaub es geht nicht nur mir so und das hört man auch im Zusammenspiel, was dann noch mehr Freude bereitet.“

Das große Finale waren diesmal zwei Stücke aus dem „Concerto for a Rainy Day“ des Electric Light Orchestras und ein tanzender Groot aus dem Film „Guardians of the Galaxy“ auf der selbstgebauten und programmierten LED-Wand im Hintergrund, denn das Stück „Mr. Blue Sky“ vom ELO gehört zum Soundtrack des Films. Zwei Zugaben gehören immer zu den Konzerten des SBRs. Der Popklassiker „It’s raining men“ war bei dem Motto nur logisch.

Ein besonderes Highlight des ganzen Konzertes war aber wie immer die zweite Zugabe mit der Orchesterversion des Steigerliedes zum Mitsingen – nicht nur für das Publikum, sondern auch für Posaunistin Paula. „Als die Leute im Publikum die Handy-Taschenlampen angeschaltet haben, ist das ein richtiger Gänsehautmoment gewesen.“

Das SBR möchte sich bei allen Zuschauer:innen und Musiker:innen für zwei tolle Konzerte zum Start in das Geburtstagsjahr 2024 bedanken.


Programm

  • Atlantic Overture - Thierry Deleruyelle
  • By Loch and Mountain - Robert W. Smith
  • Inception - Hans Zimmer/Arr. Jirka Kadlec
  • The Water Horse - James Newton Howard/Arr. Jiří Kabát
  • The Nutcracker Swing - Pjotr Iljitsch Tschaikowski/Arr. Hans-Joachim Rhinow
  • Sailing with Whales - Rossano Galante
  • Titanic-Medley - James Horner/Arr. Takashi Hoshide
  • Rhine River Impressions - Mario Bürki
  • Concerto for a Rainy Day: I. Standin’ in the Rain, IV. Mr. Blue Sky -  Jeff Lyne/Arr. Geert Schrijvers
  • It´s Raining Men -  Paul F. Jabara/Arr. Frank Bernaerts


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 @ Fotos von Taken for You