1. Ausgangspunkt: Stakeholderinteressen und Corporate Governance
a) Interne, gesellschaftsrechtlich vermittelte und externe, marktbezogene Corporate Governance

Nach einer verbreiteten Definition ist das Ziel von Corporate Governance, wie etwa die Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) zum Ausdruck bringt, die „gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung“. Gegenstand der Corporate Governance sind aber nicht lediglich die Beziehungen zwischen den Organen einer Gesellschaft, sondern auch die Beziehungen zu anderen Unternehmensbeteiligten (sog. stakeholder).
Dieses weite Begriffsverständnis geht einher mit einer Unterscheidung zwischen interner und externer Corporate Governance: Während die Innenperspektive in erster Linie das „klassische“ Gesellschaftsrecht betrifft, also die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung und die Vorgaben für Leitung einer Aktiengesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat, geht es in der Außenperspektive um das Verhältnis zu anderen Bezugsgruppen, namentlich den Gesellschaftern (shareholder) und den Stakeholdern. Mit letzteren werden somit auch Beteiligte wie etwa Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden oder die Standortgemeinde erfasst, deren Interessen nur teilweise oder nur mittelbar mit gesellschaftsrechtlichen Instrumenten geschützt werden. Gerade bei börsennotierten Gesellschaften bedienen sich der deutsche und der europäische Gesetzgeber im Rahmen der externen Corporate Governance in erster Linie marktbezogener Instrumente und einer aufsichtsrechtlichen Regulierung, insbesondere durch das Kapitalmarktrecht. Wegen der schrittweisen – wenn auch noch nicht abgeschlossenen – Herausbildung eines Sonderrechts der börsennotierten Aktiengesellschaft, das gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Elemente vereint, ist eine trennscharfe Zuweisung dieser Regulierungsinstrumente zu den beiden Rechtsgebieten nicht immer möglich. Im Folgenden soll daher vor allem zwischen interner und externer Corporate Governance im genannten Sinne unterschieden werden.

b) Die Instrumente der externen Corporate Governance
Der externen Corporate Governance sind eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungsinstrumenten zuzuordnen, die sich durch den Einsatz von Marktmechanismen auszeichnen. Insoweit ist vor allem das Kapitalmarktrecht zu nennen, das für börsennotierte Aktiengesellschaften eine Rückwirkung auf das Gesellschaftsrecht entfaltet. Den Kapitalmärkten soll nämlich die Funktion zukommen, die aus dem Auseinanderfallen von Eigentum und Herrschaft resultierenden agency-Kosten – abhängig von den jeweiligen rechtspolitischen Vorstellungen in Ergänzung oder in mehr oder weniger weitreichender Verdrängung gesellschaftsrechtlicher Kontrollmechanismen – zu reduzieren.

aa) Erfolgsbezogene Vergütungsbestandteile
Konkret sind zunächst erfolgsbezogene Vergütungsbestandteile für Vorstandsmitglieder anzuführen. Vergütungsbestandteile mit Anreizwirkung sollen primär für einen Gleichlauf der Interessen von Unternehmensleitung und Aktionären sorgen. Dazu zählen insbesondere Aktienoptionsprogramme, die ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG finden. Auch wenn es sich dabei um aktienrechtliche Normen handelt, sind diese nicht nur deshalb dem Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft zuzurechnen, weil erfolgsbezogene Vergütungsbestandteile in der Praxis vor allem bei derartigen Gesellschaften vorzufinden sind, sondern gerade auch aufgrund der damit einhergehenden Anpassung an Erwartungen der Kapitalmärkte.

bb) Der Markt für Unternehmenskontrolle
Der Markt für Unternehmenskontrolle soll durch die Möglichkeit von Übernahmen eine Disziplinierung der Führungsorgane und damit eine Ausrichtung ihres Handelns auf die Aktionärsinteressen sicherstellen. Über den Preismechanismus werde bei einem Handeln der Unternehmensleitung entgegen den Interessen der Anteilseigner eine Übernahmeanfälligkeit erzeugt, während eine Maximierung des shareholder value Übernahmen verteuere und damit unattraktiv werden lasse. Für börsennotierte Aktiengesellschaften wird der aufsichtsrechtliche Rahmen durch das WpÜG gezogen.

cc) Die Exit-Option
Bei börsennotierten Aktiengesellschaften stellt die Möglichkeit der Anteilseigner, ihre Beteiligung am Kapitalmarkt zu veräußern, ein weiteres Instrument der Corporate Governance dar. Neben die Möglichkeit, durch Ausübung des Stimmrechts („voice“) und der weiteren gesellschaftsrechtlichen Mitverwaltungsrechte Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, tritt die Möglichkeit, sich als Kapitalanleger von dem Investment zu trennen („exit“). Der gebotene Schutz der Aktionäre bzw. Anleger soll insoweit nicht nur durch das Gesellschaftsrecht, sondern auch durch das Kapitalmarktrecht geschaffen werden, indem funktionsfähige, ausreichend liquide Kapitalmärkte die jederzeitige Rückgängigmachung der einmal getroffenen Anlageentscheidung sicherstellen. Insoweit weist damit der Schutz der Aktionäre eine hybride Struktur auf, die kennzeichnend für das sich entwickelnde Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft ist.

dd) Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten
Ergänzt werden diese Corporate Governance-Mechanismen durch die im Zentrum des Kapitalmarktrechts stehenden Publizitätspflichten, die der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz dienen. Zu nennen sind insbesondere das nunmehr in der Prospektverordnung normierte Prospektrecht, die Beteiligungspublizität gemäß §§ 33 ff. WpHG, die in Art. 17 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) geregelte Ad-hoc-Publizität sowie die Regelpublizität nach den §§ 114 ff. WpHG. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben gewährleisten, dass den Kapitalmarktteilnehmern ausreichende, zeitnahe Informationen zur Verfügung stehen, und bilden auf diese Weise eine wichtige Grundlage für die marktbezogene Corporate Governance.

c) Die Bedeutung von Stakeholderinteressen im Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft
Die soeben angesprochenen, marktbezogenen Corporate Governance-Mechanismen betreffen auf den ersten Blick ausschließlich den Schutz von Shareholderinteressen. Dieser Befund ist wenig überraschend, da das Kapitalmarktrecht sowohl einen anderen Regelungsansatz als auch andere Regelungsziele verfolgt als das Gesellschaftsrecht:
Im Kern ist das Kapitalmarktrecht – im Unterschied zum Gesellschaftsrecht, aber auch zum Börsenrecht – nicht rechtsform- oder institutionenbezogen, sondern regelt unmittelbar das Geschehen am Kapitalmarkt, verfolgt also einen marktbezogenen Ansatz. Damit übereinstimmend werden die Regelungszwecke dieses Rechtsgebiets in der Schaffung und Erhaltung funktionsfähiger Kapitalmärkte sowie im Schutz des Anlegerpublikums gesehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst verständlich, dass im Kapitalmarktrecht allenfalls auf den (vermögensmäßigen) Schutz der individuellen Anleger abgestellt wird, nicht aber auf die Interessen anderer – ggf. nur mittelbar betroffener – Beteiligter. Kapitalmarktorientierung im Rahmen der externen Corporate Governance bedeutet damit primär eine Ausrichtung auf den shareholder value.
Die genauere Betrachtung des Übernahmerechts, das gerade die Funktion hat, den Markt für Unternehmenskontrolle und damit einen der wesentlichen kapitalmarktrechtlichen Kontrollmechanismen zu regulieren, zeigt allerdings, dass sich dort auch Normen finden, die andere Interessen berücksichtigen als die der Anleger bzw. Aktionäre. Zu nennen ist unter anderem die Pflicht des Vorstands der Zielgesellschaft nach § 10 Abs. 5 S. 2 WpÜG, den zuständigen Betriebsrat oder, sofern ein solcher nicht besteht, unmittelbar die Arbeitnehmer unverzüglich über die Mitteilung des Bieters über die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zu informieren. Daneben existieren innerhalb und außerhalb des Übernahmerechts noch weitere marktbezogene Regelungen, die Stakeholderbezug haben und die eine übergreifende Beschäftigung mit diesem Thema erfolgversprechend machen.

2. Inhaltliche Ausrichtung der Nachwuchsforschergruppe
a) Bestandsaufnahme: Schutz von Stakeholderinteressen im Rahmen der externen Corporate Governance
Von der Nachwuchsforschergruppe sollen drei Themenbereiche bearbeitet werden. In einem ersten Schritt ist zunächst eine Bestandsaufnahme derjenigen Reglungen des Sonderrechts der börsennotierten Aktiengesellschaft angedacht, die de lege lata den Schutz von Stakeholderinteressen im Rahmen der externen Corporate Governance betreffen:

aa) Veränderung der innergesellschaftlichen Machtbalance durch den verstärkten Einsatz von Marktmechanismen im Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft
Im ersten Themenbereich soll es um die grundlegende Frage gehen, welche Auswirkungen der beschriebene, verstärkte Einsatz von Marktmechanismen auf die innergesellschaftliche Machtverteilung hat. Von Interesse sind insoweit diejenigen Regelungen des Sonderrechts der börsennotierten Aktiengesellschaft, die zwar das Ziel verfolgen, im Rahmen der externen Corporate Governance agency-Probleme im Verhältnis der Unternehmensleitung zu den Aktionären bzw. Anlegern zu mindern, aus denen sich aber möglicherweise eine Schlechterstellung der anderen Stakeholder ergeben kann. Von einer solchen Veränderung der innergesellschaftlichen Machtbalance ist primär der Aufsichtsrat betroffen; bei mitbestimmten Gesellschaften geht es damit auch um den Schutz der Interessen der Arbeitnehmer und eine potentielle Schwächung der Mitbestimmung. Für eine weitergehende Untersuchung eignen sich vor allem die Vorgaben der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (insbesondere „say on pay“), der comply or explain-Mechanismus als marktbezogenes Instrument der Corporate Governance, wie er sich nunmehr auch in der Corporate Social Responsibility-Richtlinie findet, sowie die Investorenkommunikation durch den Aufsichtsrat.

bb) Wechselwirkungen zwischen kapitalmarktrechtlichen Regelungen und dem Schutz von Stakeholderinteressen
Der zweite Themenbereich betrifft Konstellationen, in denen es zwar nicht unmittelbar zu einer Verschiebung der innergesellschaftlichen Machtbalance durch Marktmechanismen kommt, in denen jedoch ebenfalls marktbezogene Corporate Governance-Instrumente in ein Spannungsverhältnis zu Stakeholderinteressen treten. Wie schon beim ersten Themenbereich ist auch insoweit in erster Linie der Aufsichtsrat betroffen, so dass bei mitbestimmten Gesellschaften die Interessen der Arbeitnehmer berührt werden. Für eine tiefergehende Betrachtung durch die Nachwuchsforschergruppe bieten sich vor allem der Markt für Unternehmenskontrolle (insbesondere § 33 Abs. 1 S. 2 Var. 3 WpÜG), die Ad-hoc-Publizität bei zeitlich gestreckten Vorgängen sowie das Verhältnis von Insiderrecht und Verschwiegenheitspflicht von Arbeitnehmervertretern in mitbestimmten Aufsichtsräten an.

cc) Zunehmende Berücksichtigung von Stakeholderinteressen im Kapitalmarktrecht
Um die gegenteilige Wirkung der zunehmenden Bedeutung der externen, marktbezogenen Corporate Governance soll es im dritten Themenbereich gehen. Insbesondere im Kapitalmarktrecht deutet vieles auf die Herausbildung einer neuen Regelungsschicht hin, die (auch) den Schutz von Stakeholderinteressen bezweckt. Dabei ist insbesondere zu denken an stakeholderbezogene übernahmerechtliche Normen (etwa zur Unterrichtung der Arbeitnehmer), die Mitteilungspflichten des § 43 WpHG und die Corporate Social Responsibility-Richtlinie.

b) Untersuchung der stakeholderbezogenen Regelungen der externen Corporate Governance
aa) Analyse der Rechtsentwicklung

In einem weiteren Schritt sollen die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien zu allen relevanten Regelungskomplexen ausgewertet und analysiert werden, und zwar sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Insoweit lassen sich zwei gegenläufige Entwicklungsrichtungen erkennen:
Zum einen ist der Gesetzgeber bestrebt, die Rechte der Aktionäre zu stärken, was für börsennotierte Gesellschaften mit einer Substituierung bzw. Ergänzung von gesellschaftsrechtlichen, auf die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre gerichteten Schutzinstrumenten der internen Corporate Governance durch marktbezogene Mechanismen einhergeht. Bereits die beschriebenen Entwicklungen im System der Corporate Governance deuten an, dass der im Hinblick auf den Schutz der Shareholderinteressen festzustellende Wechsel von der internen Corporate Governance hin zu einer kapitalmarktorientierten Sichtweise sich jedenfalls mittelbar auch auf den Schutz von Drittinteressen auswirkt. Zu beobachten ist dies überall dort, wo die vom Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung der Aktionäre bzw. Anleger zu einer Schwächung des Aufsichtsrats führt, was in einer mitbestimmten Gesellschaft auch die Arbeitnehmer als wichtige Stakeholdergruppe betrifft. Zur Lösung der damit verbundenen Spannungen lassen sich den bisherigen gesetzlichen Regelungen jedenfalls keine Lösungen entnehmen, die auf allgemeine Prinzipien oder Grundsätze zurückgeführt werden könnten.
Zum anderen zeigt sich – in ganz entgegengesetzter Richtung – eine verstärkte Betonung des Schutzes von Stakeholderinteressen. Vor allem auf der Ebene des europäischen Rechts erfahren gegenwärtig andere Interessenträger als die Anleger verstärkte Berücksichtigung. Ein besonders deutliches Beispiel dafür ist die Corporate Social Responsibility-Richtlinie, die – wohl erstmalig – ausdrücklich auch die Interessen von Stakeholdern selbst anspricht: Die Erwägungsgründe der Richtlinie stellen zwar – insoweit klassischen Zwecksetzungen des Kapitalmarktrechts entsprechend – auf die Information der Aktionäre und die Stärkung des Vertrauens von Investoren ab, betonen aber auch, dass eine europaweite Koordinierung der Bestimmungen für die Veröffentlichung nichtfinanzieller Informationen für die Interessen der Unternehmen, Aktionäre und anderen Interessenträger gleichermaßen wichtig sei. Der Erklärung zu nichtfinanziellen Informationen soll dabei die Funktion zukommen, im Wege der indirekte Verhaltenssteuerung Anreize für eine Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen zu schaffen (sogenanntes nudging).

bb) Folgerungen für die Auslegung und die Entwicklung gemeinsamer Grundsätze
Eine weitere Aufgabe der Nachwuchsforschergruppe wird sein, aus der eben geschilderten Grundlagenarbeit Folgerungen für die Anwendung des geltenden Rechts zu ziehen und vor allem zu analysieren, welche Schlüsse aus den gegenläufigen Entwicklungslinien des Sonderrechts der börsennotierten Aktiengesellschaft zu ziehen sind. So wird sich unter anderem die Frage stellen, ob sich bei systematisierender Betrachtung allgemeine Prinzipien entwickeln lassen, die einer im Entstehen begriffenen stakeholderbezogenen Regelungsschicht des Kapitalmarktrechts zugrunde liegen. Ein Ansatzpunkt könnte insoweit darin bestehen, dass kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten im Hinblick auf andere Interessenträger die Funktion zukommt, die Tätigkeit des jeweiligen Unternehmens zu überwachen, so dass diese Stakeholder auf andere Weise als Aktionäre darauf reagieren können, also nicht durch Kauf oder Verkauf von Aktien, sondern etwa durch Änderung bestehender vertraglicher Beziehungen zu diesem Unternehmen. Eine derartige, indirekte Verhaltenssteuerung ist de lege lata jedenfalls in der Corporate Social Responsibility-Richtlinie angelegt. Zudem kann auch das comply or explain-Prinzip ganz allgemein über einen Reputationsmechanismus durchaus Stakeholderinteressen dienen.

aaa) Bedeutung kapitalmarktrechtlicher Publizität für Stakeholder
Zeigt die zweite der soeben beschriebenen Entwicklungslinien in der Gesamtschau, dass kapitalmarktrechtliche Publizität auch dem Schutz der Interessen der Stakeholder dienen kann, so ist in einem nächsten Schritt zu untersuchen, ob – losgelöst von den konkreten gesetzlichen Vorgaben – Stakeholder ein Informationsbedürfnis haben, das dem der Aktionäre zumindest vergleichbar ist. Es spricht viel dafür, dass die klassische, auf das Gesellschaftsrecht bezogene Unterscheidung zwischen Festbetragsbeteiligten und Restbetragsbeteiligten, die zur Rechtfertigung des Aktionärsstimmrechts herangezogen wird, zu kurz greift. Denn auch Stakeholder leisten Beiträge zur Gesellschaft und haben damit ein schutzwürdiges Interesse daran, über die Umstände informiert zu werden, auf die sich die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften beziehen. Dies gilt umso mehr, als Stakeholder – anders als Aktionäre – nicht die Möglichkeit haben, durch eine Veräußerung ihrer Beteiligung an der Börse schnell aus der Gesellschaft auszuscheiden oder ihr Risiko durch Diversifizierung zu mindern.

bbb) Insbesondere: Herausbildung einer stakeholderbezogenen Regelungsschicht des Kapitalmarktrechts
Bereits die skizzierten Beispiele deuten auf die Herausbildung einer neuen Regelungsschicht im Kapitalmarktrecht hin, die nicht nur dem Anleger- und Funktionenschutz zu dienen bestimmt ist, sondern auch dem Schutz von Stakeholderinteressen. Es handelt sich dabei jedenfalls auch um genuin kapitalmarktrechtliche Normen, da ihr Anwendungsbereich auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugeschnitten ist, sie jedenfalls auch den klassischen kapitalmarktrechtlichen Zweck des Anleger- und Funktionenschutzes verfolgen und sich mit der Begründung von Informationspflichten kapitalmarktrechtlicher Schutzinstrumente bedienen. Diese neue Regelungsschicht soll in einem weiteren Schritt herausgearbeitet werden.
Dabei wird vor allem auch die Frage zu stellen sein, ob eine solche stakeholderbezogene Regelungsschicht ein Gegengewicht zu der ersten der beschriebenen Entwicklungslinien bilden könnte, also zu der potentiellen Beeinträchtigung der Position der Stakeholder, insbesondere der Arbeitnehmer, durch den gesetzgeberischen Einsatz von marktmäßigen Disziplinierungsmechanismen. Wenn jedenfalls de lege lata wegen des anerkannten, weiten Vorstandsermessens im Rahmen des § 76 AktG keine konkrete, rechtlich bindende Leitlinie zur Berücksichtigung von Stakeholderinteressen gegeben ist, könnte die neue Regelungsschicht einen Ausgleich dazu bilden. Dies würde ebenfalls durch Marktmechanismen geschehen, die in diesem Fall aber nicht (nur) den Interessen der Aktionäre bzw. Anleger dienen, sondern zumindest auch den Stakeholderinteressen. Über diesen Gedanken hinausgehend ist jedoch weiter zu untersuchen, ob kapitalmarktrechtliche Mechanismen nicht auch außerhalb des Bereichs der Corporate Social Responsibility und unabhängig von einer möglichen Ausstrahlung auf die aktienrechtliche Zielkonzeption für den Schutz von Stakeholderinteressen fruchtbar gemacht werden können.

cc) Erörterung rechtspolitischer Fragen
De lege ferenda wird für alle genannten Bereiche zu diskutieren sein, ob eine Erweiterung des Schutzes für andere Interessenträger im Rahmen der marktbezogenen Corporate Governance, insbesondere durch kapitalmarktrechtliche Regulierung, sachgerecht ist. Beispielhaft könnte etwa für den Bereich des Übernahmerechts zu erwägen sein, ob die genannten, bislang schwerpunktmäßig arbeitsrechtlich ausgestalteten Informationspflichten zu einem echten kapitalmarktrechtlichen Instrument nach dem Vorbild der Corporate Social Responsibility-Richtlinie weiterentwickelt werden sollten. Damit in Zusammenhang steht die Überlegung, den Vorstand eines Zielunternehmens auch an Stakeholderinteressen zu binden und insoweit zumindest teilweise die übernahmerechtliche Neutralitätspflicht der Organe der Zielgesellschaft zu modifizieren.