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Dr. Manuel Kamenzin

Akademischer Rat auf Zeit


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Gebäude GA 4/32, Fachnummer 182
44801 Bochum
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Prophetie und Politik im spätmittelalterlichen Reich (eingereicht; das Habilitationsverfahren ist eröffnet)

Das Habilitationsprojekt untersucht das Zusammenspiel von Prophetie und Politik im römisch-deutschen Reich des späten Mittelalters. Im Mittelpunkt steht mit kurzen, nicht-biblischen Prophezeiungen eine bislang weder systematisch erfasste noch editorisch erschlossene Quellengattung, die jedoch eine bemerkenswerte Verbreitung und politische Relevanz besaß.

Als Leitfaden der Untersuchung dient die Rekonstruktion einer Traditionslinie, die im späten 13. Jahrhundert mit dem Text Regnabit Menfridus bastardus einsetzt und im 15. Jahrhundert in der Kompilation der Prophetie Veniet aquila kulminiert. Um diese Entwicklung historisch einzuordnen, werden zahlreiche weitere prophetische Texte in die Analyse einbezogen, darunter das weit verbreitete Gedicht Gallorum levitas, die Schriften Johannes’ von Rupescissa oder der Libellus des Telesphorus von Cosenza. Das Projekt ermöglicht durch diese grundlegende Neuevaluation von Quellenüberlieferung, Editionsstand und Forschungsbeiträgen erstmals einen Überblick über die Überlieferung, Verbreitung und Funktion nicht-biblischer Prophetien im spätmittelalterlichen Reich.

Veniet aquila nimmt innerhalb dieser Untersuchung eine Schlüsselstellung ein. Der Text erlangte innerhalb kurzer Zeit eine beachtliche Verbreitung, wurde bereits im Mittelalter in verschiedenen Sprachfassungen überliefert und zirkulierte nachweislich im Umfeld einflussreicher politischer Akteure. Zugleich war Veniet aquila eng mit den zentralen Umbrüchen der Prophetiegeschichte des 15. Jahrhunderts verbunden und reagierte unmittelbar auf aktuelle politische Entwicklungen.

Die im Projekt zusammengetragenen Texte bilden zugleich die Grundlage für eine systematische Analyse der Ausprägungen und strukturellen Eigenschaften der Quellengattung. Untersucht werden wiederkehrende Personenkonstellationen sowie die sozialen und politischen Kontexte, in denen prophetische Texte entstanden, zirkulierten und rezipiert wurden. In der Forschung geäußerte Deutungsansätze, wie die Einordnung von Prophetie als Propaganda oder als unmittelbarer Ausdruck von Krisenerfahrungen, werden kritisch überprüft. Ebenso wird das vor allem durch die Figur Merlins geprägte Bild des Propheten als beratender Instanz eines Herrschers hinterfragt und aufgearbeitet. Forschungsansätze aus der Sozialpsychologie aufgreifend, wird darüber hinaus der Umgang mit nicht eintreffenden Prophetien untersucht, insbesondere Strategien der Umdeutung, Stabilisierung und fortgesetzten Sinnzuschreibung.

Das Projekt leistet einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis der politischen Funktionen nicht-biblischer Prophetien im späten Mittelalter, am Beispiel des römisch-deutschen Reichs. Es zeigt, dass prophetische Texte weniger als feste Vorhersagen zu begreifen sind, sondern als flexible Deutungsangebote, deren Bedeutung sich im Zusammenspiel von Text, historischem Kontext und Rezeption konstituiert. Gerade ihre Offenheit, Mehrdeutigkeit und Anschlussfähigkeit erklären ihre anhaltende Wirksamkeit und machen sie zu einem zentralen Medium politischer Erwartungsbildung und Legitimierung im späten Mittelalter.

 

 

  • Geschichte des Reichs im Mittelalter (Früh-, Hoch- und Spätmittelalter)
  • Historiographiegeschichte
  • Mittelalterliche Prophetie
  • Sterben und Tod im Mittelalter
  • Wissenschaftsgeschichte
  • Digital Humanities

2023-2024:
Research Fellow Stanford University

2022, Oktober:
Stipendiat des Deutschen Historischen Instituts in London

2021:
Listenplatz Nr. 2, Assistant Professor Position in Medieval Studies, Central European University, Wien.

2021, Januar-Juni:
Visiting Fellow am Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung "Faith, Freedom and Prognostication", Erlangen. [Homepage]

seit 2017:
Akademischer Rat auf Zeit am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum

2017:
Promotion in Heidelberg

2013-2017:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Heidelberg

2011-2013:
Studium an der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg: Master Geschichte (100%).

2008-2011:
Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg: B.A. Geschichte (75%)/ B.A. Germanistik (25%).

Veröffentlichungen (Auswahl)

Monographie:

Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) (Mittelalter-Forschungen 64), Ostfildern 2020. Frei online verfügbar: [Link]

Sammelband:

Geschichte wird von den Besiegten geschrieben. Darstellung und Deutung militärischer Niederlagen in Antike und Mittelalter, hg. v. Manuel Kamenzin und Simon Lentzsch (Krieg und Konflikt 19), Frankfurt a. M. 2023.

Aufsätze:
 

Aufstieg durch Deutungshoheit. Eberhard II. von Bamberg, Friedrich I. Barbarossa und der Tod Konrads III., in: Frühmittelalterliche Studien 58 (2024), S. 341–359. [Link]

Verfehlungen und Strafen. Der Tod Papst Innocenz’ IV. bei Salimbene de Adam und Matthaeus Parisiensis, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 102 (2022), S. 190–2020. Frei online verfügbar: [Link]

Strange Events and Shaky Ground. On Earthquakes, Matthew Paris and ‚Solid Facts‛, in: Dreams, Nature, and Practices as Signs of the Future in the Middle Ages, hg. v. Klaus Herbers und Hans-Christian Lehner (Prognostication in History 10), Leiden-Boston 2022, S. 95–127.

Von Herrschertoden, Buchgrenzen und Erkenntnismöglichkeiten. Die Tode der ottonischen Könige und Kaiser bei Thietmar von Merseburg, in: Thietmar von Merseburg. Historiographie der Grenzwelten, hg. v. Dirk Jäckel, Lisa Klocke und Matthias Weber (Studien zur Vormoderne 4), Frankfurt a. M. 2021, S. 257–302.

 

Vollständige Liste der Publikationen und Vorträge

Vorträge (Ankündigungen):

07/26 „Manifesting Temporalities in 13th-Century England: Matthew Paris and His Works - A Round Table Discussion“ (mit Taran Palmstrøm Fenn [Oslo], Rike Szill [Tübingen] und Miriam Weiss [Saarbrücken]).

02/26 „Von Versprechen und Kritik. Wissenschaftsgeschichtliche Perspektiven und inhaltliche Fragen“. Tagung  „Künstliche Intelligenz und die historische Fragestellung“, Mainz.

02/26 „Von roten Drachen, Adlern und Visionen. Die Wahrnehmung Sigismunds von Luxemburg in prophetisch-eschatologischen Schriften des späten Mittelalters.“ Tagung „Sigismund von Luxemburg“, München.

 

Vorträge (2025):

11/25 gemeinsam mit Katharina Mersch und Matthias Weber „Drei Perspektiven auf Unordnung im Mittelalter“, darin: „Krise, Tod, Unordnung – oder Heiterkeit? Perspektivfragen“. Ringvorlesung Dis-Order, Bochum [Ankündigung / Blogbeitrag].

11/25 „Mainz, Konstanz und der Adler? Zur Überlieferung prophetischer Texte des späten Mittelalters.“ Mainzer Gespräche, Mainz [Programm].

11/25 „,Dunkle Sprache'? Wirkprinzipien spätmittelalterlicher, nicht-biblischer Prophetie“. Magische Wirkprinzipien, Hamburg [Programm].

10/25 „Retrospektive Diagnosen und Sterbebettlyrik: Der Tod Konrads III. 1152“. Hochmittelaltertagung, Köln.

09/25 „Matthew Paris / Matthaeus Parisiensis. Stand der Forschung I: Der Chronikenkomplex.“ Matthew Paris / Matthaeus Parisiensis. Aktuelle Perspektiven, Zoom.

07/25 „Das feurige Schwert des Erzengels und die Aufforderungen des vermeintlichen Halbonkels: Karl IV. und Prophetie“. Mediävistisches Forschungskolloquium, Heidelberg.

07/25 „Digitised Manuscripts and Teaching Medieval Studies: Different Approaches to Classroom Projects.“ Digital Transformations and Teaching Medieval Studies, Session 738,  International Medieval Congress Leeds.

07/25 „Das Doppelkönigtum als Kompromiss. Beteiligte und Experten.“ Workshop Kompromissexperten im Mittelalter, Essen.

01/25 „Umgeben von Erwartungen. Kaiser Friedrich III. und die zeitgenössischen Prophezeiungen bezüglich eines dritten Friedrichs.“ CeMaRS-Werkstatt, Bochum.

 

Vollständige Liste der Publikationen und Vorträge

Im Rahmen meiner regelmäßig stattfindenden Lehrveranstaltung „Mediävistik und Digital Humanities“ entwickle ich gemeinsam mit den Studierenden explorative Projektformate, in denen zentrale Arbeitstechniken und methodische Kompetenzen vermittelt und unmittelbar praktisch erprobt werden. Die Veranstaltung richtet sich explizit auch an Studierende ohne technische Vorkenntnisse und verfolgt einen einführenden Zugang zu digitalen Arbeitsweisen. Die thematische Spannweite reicht von der Nutzung digitaler Werkzeuge zur Transkription mittelalterlicher Handschriften und der Arbeit mit digitalen Editionen über die Erstellung eigener Karten mit Open-Source-Software bis hin zu Formaten der Wissenschaftskommunikation in sozialen Medien oder der experimentellen Auseinandersetzung mit Large Language Models. Eindrücke vermitteln die folgenden Blogbeiträge:

Von Katzen und Kommunikation. Ein Beispiel aus der Lehre zu den ,Digital Humanities‘

Karten und mittelalterliche Grenzen mittels QGis in der grundständigen universitären Lehre

Ein Ergebnis mehrerer Lehrveranstaltungen ist die Homepage Medievalcats, die im Dezember 2025 online gestellt wurde. Im Zentrum der Homepage steht die weltweite größte Sammlung mittelalterlicher Katzenbilder, die von Studierenden zusammengesammelt, aber auch als Grundlage für verschiedene Digital-Humanities-Projekte genutzt wurde (und wird).

Die Veranstaltung findet auch im Wintersemester 2025/6 wieder statt und ist eingebunden in das Zertifikat Digital Humanities (DH).

Oktober 2025: „Matthew Paris / Matthaeus Parisiensis. Aktuelle Perspektiven“, Bochum (gemeinsam mit Miriam Weiss [Saarbrücken]). [Ankündigung und Programm auf H-Soz-Kult, Link]

Juni 2021: „Geschichte wird von den Besiegten geschrieben. Darstellung und Deutung militärischer Niederlagen in Antike und Mittelalter“, Bochum (gemeinsam mit Simon Lentzsch [Fribourg]). [Tagungsbericht auf H-Soz-Kult, Link]

Mai 2021: Workshop „Prophecies and Politics in Medieval Sources“, Erlangen (gemeinsam mit Rike Szill [Kiel]). [Tagungsbericht auf H-Soz-Kult, Link]

Juni 2018: International Graduate Workshop: „Foreign Knowledge – Medieval Attitudes towards the Unknown“, Bochum (gemeinsam mit Friederike Pfister [Bochum]). [Tagungsbericht auf H-Soz-Kult, Link]

Mai 2017: 8. Werkstattgespräche „Neues aus dem Mittelalter“, Mannheim.

Juni 2015: 7. Werkstattgespräche „Neues aus dem Mittelalter“, Heidelberg. [Tagungsbericht auf H-Soz-Kult, Link]