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3.4 Die Entwicklung der Zygote zum Sporophyten, Embryogenie

 

Bereits nach der ersten Teilung der Zygote liegt ein kurzer, zweizelliger Zellfaden vor. Ein Faden hat zwei Enden, und der Embryo ist damit bereits in diesem Stadium bipolar. Es kommen im ganzen Pflanzenreich im wesentlichen zwei verschiedene Lagemöglichkeiten für diese beiden ersten Zellen im Archegonium vor. Entweder ist eine Zelle dem Archegonienhals zugewendet und die andere ist entsprechend abgewendet, oder die Trennwand zwischen beiden Zellen ist dem Archegonienhals zugewendet. Die zweite Lösung kommt bei den meisten Farnen (leptosporangiate Farne) vor. Bei der ersten Lösung muß man zwei wichtige Unterfälle unterschieden. Der künftige Sproßpol kann aus der außen zum Archegonienhals weisenden Zelle entstehen; diese Lage wird als exoskopisch bezeichnet. Die exoskopische Lage ist z.B. typisch für die Moose, bei denen der gegenüberliegende Pol sowieso als Haustorium im Archegonium verbleibt. Liegt dagegen der Sproßpol nach innen und der gegenüberliegende Pol wird dem Archegonium zugewendet, so wird diese Lage als endoskopisch bezeichnet. Die endoskopische Lage ist charakteristisch für die Samenpflanzen, da die spätere Keimwurzel am gegenüberliegenden Pol gebildet wird und diese bei der Keimung zuerst durch die Mikropyle austreten wird.

 

Durch weitere Teilungen entsteht ein vielzelliges Gebilde, das bereits einen Sproßvegetationspunkt und eine oder mehrere Blattanlagen aufweist. Ein Teil der Zellen dieses Gebildes degeneriert allerdings frühzeitig wieder und ist nicht an der Bildung des fertigen, keimungsbereiten Embryos beteiligt. Bestimmte Teile des Embryos haben in einzelnen Entwicklungsphasen ganz spezielle und wichtige Aufgaben.

 

Die Nährstoffaufnahme wird bei Moosen und Farnpflanzen von einem sogenannten Fuß wahrgenommen, bei Samenpflanzen dagegen von den Keimblättern. Bei den Farnpflanzen liegt der Fuß dem Sproßvegetationpunkt gegenüber und kann von ihm durch einen mehr oder weniger deutlichen Stiel getrennt sein. Dieser Stiel kann vielleicht der Seta (Kapselstiel) der Moose homologisiert werden. Die erste Wurzel entwickelt sich bei verschiedenen Farnpflanzengruppen an recht verschiedenen Stellen, sie entsteht aber nie am anderen Ende einer Symmetrieachse, wie das bei Samenpflanzen der Fall ist. Alle Farnembryonen sind daher mehr oder weniger stark unsymmetrisch.

 

Bei den Cycadeen durchläuft die Zygote zunächst bis zu 10 simultane Kernteilungen. Die dann bis zu 1024 Kerne enthaltende Zelle wird meist durch Wandbildung in einen zelligen, undifferenzierten Gewebekomplex verwandelt, der als Basalkörper bezeichnet wird. Von diesem ausgehend und von der Mikropyle abgewendet entwickeln sich eine oder mehrere fädige Strukturen, die im Querschnitt aber mehrzellig sind. Diese Strukturen werden als Suspensoren bezeichnet. An der Spitze jedes Suspensors entwickelt sich ein Sproßvegetationspunkt. Das bedeutet, daß aus einer Zygote nicht   nur ein Embryo, sondern mehrere genetisch identische Embryonen entstehen können. Neben dieser monozygotischen Polyembryonie oder Spaltungspolyembryonie kann immer dort, wo ein Makroprothallium mehrere Archegonien aufweist, auch eine polyzygotische Polyembryonie auftreten. Im Verlauf der Entwicklung bleibt von den verschiedenen Embryonen in einer Samenanlage allerdings regelmäßig nur ein einziger übrig, die anderen werden vom kräftigsten Embryo erdrückt und degenerieren frühzeitig.

 

Das Phänomen der Polyembryonie zeigt, daß nicht alles aus der Zygote hervorgegangene Gewebe in die Bildung eines einzigen Embryos eingeht. Zum einen können mehrere Embryonen gebildet werden, zum anderen gehen Gewebekomplexe wie der Basalkörper und die Suspensoren vor der Samenreife zugrunde und sind nicht an der Bildung des Gebildes beteiligt, das üblicherweise als Embryo bezeichnet wird. Für alles, was durch Teilungen aus einer Zygote hervorgeht, hat sich daher der Begriff Gesamtembryo eingebürgert.

 

Bei Pinus bildet sich aus der Zygote zunächst ein 16-zelliger Komplex, bei dem die Zellen in vier   Ebenen zu je vier Zellen übereinander angeordnet sind. Aus den vier nach innen orientierten Zellen entwickelt sich dann je ein Embryo. Aus den Zellen der darauffolgenden Ebene entwickeln sich voneinander getrennte, einzellreihige Suspensoren. Die beiden übrigen Ebenen bilden die sogenannte Basalplatte.

 

Bei den Angiospermen tritt normalerweise keine Polyembryonie mehr auf. Der Basalkörper, der bei Pinus schon auf eine 8-zellige Basalplatte reduziert ist, wird weiter reduziert und besteht nur noch aus einer einzigen, vergrößerten Basalzelle. Der Suspensor ist ein einzellreihiger Faden. Verfolgt man die einzelnen Teilungsschritte von der Zygote bis zum Embryo, so fallen bemerkenswerte und systematisch verwertbare Unterschiede auf. Bei manchen Gruppen entstehen Basalzelle und Suspensor aus der nach der ersten Teilung der Zygote exoskop liegenden Zelle. Bei anderen bildet die exoskop liegende Zelle nur die Basalzelle und durchläuft keine weiteren Teilungen, der Suspensor wird vollständig von der endoskop liegenden Zelle gebildet. In anderen Gruppen gibt es Zwischenformen aus diesen beiden Extremen.  Es gibt offenbar bei den Angiospermen eine für einzelne systematische Gruppen unterschiedliche und genau festgelegte Abfolge von Teilungsschritten bei der Entwicklung des Gesamtembryos. Das Studium der Embryogenie kann daher oft wichtige Hinweise für die phylogenetischen Zusammenhänge liefern.

 

Bei der Keimung wird der dem Sproßpol gegenüberliegende Pol zuerst durch die Mikropyle hervorgeschoben. Dieser als Radicula (Keimwurzel) bezeichnete Abschnitt ist aber meist das spätere Hypocotyl (siehe Seite 140).

 

Die Keimblätter der Samenpflanze verbleiben zunächst als haustoriale Organe im Samen. Fungiert das ganze Keimblatt als Haustorium, so verbleibt es häufig insgesamt im Samen und übernimmt niemals Assimilationsfunktion. Die ersten assimilierenden Blätter sind dann bereits die Folgeblätter. Bei diesem Keimungstyp verbleibt der Same an oder unter der Bodenoberfläche und die Keimblätter werden nicht sichtbar, er wird deshalb als hypogäische Keimung bezeichnet. In vielen Fällen ist jedoch nur die Blattspitze haustorial und die Basis wird   aus dem Samen hervorgeschoben und ergrünt. In diesem Fall wird die Samenschale zunächst als Haube auf den Keimblattspitzen hochgehoben und erst abgeworfen, wenn die Nährstoffe im Samen völlig resorbiert sind. Gleichzeitig streckt sich das Hypocotyl und hebt die Ansatzstelle der Keimblätter über den Boden empor. Dieser Keimungstyp wird als epigäische Keimung bezeichnet. Zwischen hypogäischer und epigäischer Keimung gibt es Übergänge.