Einsatz quantitativer Methoden in der Energiewirtschaft

 

Die in den letzten beiden Jahrzehnten zu beobachtende Liberalisierung des Energiemarktes beruht grundlegend auf der wettbewerbsorientierten Idee, einen europäischen Binnenmarkt für Energie zu errichten. Die Realisierung erfolgte durch mehrere Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union, die als Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in nationales Recht umgesetzt wurden. Dessen strategische Ausrichtung kann als eine Liberalisierung von Energiebeschaffung und -vertrieb sowie der Regulierung des monopolistischen Netzbetriebs skizziert werden.

Als Folge des gestiegenen Wettbewerbsdrucks streben Energieversorgungsunternehmen eine auf die aktuell herrschenden Marktbedingungen abgestimmte Einsatzoptimierung ihrer Anlagen an. Neben der Optimierung der Fahrweise unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen wird auch eine Senkung der Beschaffungskosten angestrebt. Aufgrund der Förderung hocheffizienter Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung rücken die Besonderheiten der Kuppelproduktion von Strom und Fernwärme in den Fokus.

Ein Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls von Frau Prof. Werners liegt daher in der Entwicklung quantitativer Methoden für den Einsatz in der Energiewirtschaft. So werden Optimierungsmodelle für die Anlageneinsatzplanung entwickelt, die auch vor dem Hintergrund zahlreicher unsicherer Parameter, wie beispielsweise dem Strompreis, eine optimale Fahrweise bestimmen. Für die Einsatzoptimierung eines gesamten Kraftwerksparks sind im Sinne der Merit-Order zudem die variablen Kosten der jeweiligen Anlagen zu berücksichtigen, die wiederum maßgeblich von den Brennstoffkosten beeinflusst werden. Daher kommt der strukturierten Energiebeschaffung eine zunehmende Bedeutung zu, deren Ziel es ist, die Beschaffungskosten über eine optimale Auswahl verschiedener Versorgungsverträge zu minimieren. Dabei wird in den entwickelten Optimierungsmodellen die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Energienachfrage sowie der Entwicklung der Marktpreise explizit berücksichtigt. Für die verschiedenen Fragestellungen werden sowohl Ansätze der stochastischen und robusten Optimierung als auch Simulationsstudien eingesetzt.

Energiewirtschaft

Quelle: EnBW ©

 

Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen)

Zu den im Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm (IEKP) festgeschriebenen Klimaschutzzielen für das Jahr 2020 gehört u.a. eine angestrebte Emissionsminderung um 40 Prozent gegenüber 1990. Da mehr als die Hälfte des Energiebedarfs in Form von Wärme benötigt wird, kann der verstärkte Einsatz von Kraftwerksanlagen mit effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur Reduktion beitragen. In KWK-Anlagen werden Strom und Wärme als Kuppelprodukte erzeugt, woraus ein besonders hoher Nutzungsgrad des Brennstoffs resultiert, weshalb mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) eine Förderung der Anlagen implementiert wurde.

Betreiber solcher KWK-Anlagen, wie beispielsweise kommunale Energieversorgungsunternehmen, entscheiden über deren operativen Einsatz  unter Berücksichtigung einer unsicheren Eigennachfrage und dem ebenfalls unsicheren Strompreis auf dem Spotmarkt, da Strom börslich gehandelt werden kann. Zur Entscheidungsunterstützung kann ein quantitatives Optimierungsmodell entwickelt werden, mit dem die optimale Fahrweise der Anlage sowie das Handelsvolumen am Spotmarkt bestimmt werden. Aufgrund der verschiedenen Größenordnungen von KWK-Anlagen kann deren Wirtschaftlichkeit in verschiedenen Anwendungen untersucht werden, indem Energiekonzepte mit Hilfe quantitativer Methoden analysiert werden. Daraus wiederum lassen sich Rückschlüsse über die Vorteilhaftigkeit von Investitionsvorhaben ziehen.

 

Strukturierte Energiebeschaffung

Die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes eröffnet neue Chancen und Herausforderungen für die strukturierte Beschaffung von Energie. Strukturierte Beschaffung ist die Deckung des für einen bestimmten Zeitraum gesamt benötigten Energiebedarfs über verschiedene Produkte und Anbieter zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Davon betroffen sind beispielsweise Energieversorgungsunternehmen, die ihre Kunden zuverlässig mit Strom und Gas beliefern möchten, oder auch Industrieunternehmen, deren Produktionsprozesse von der Verfügbarkeit von Energie abhängen. Strom und Gas können sowohl am börslichen Spot- und Terminmarkt (z.B. über die European Energy Exchange) bezogen werden als auch über außerbörslich geschlossene Verträge. Außerdem besteht die Möglichkeit, Gas in Speichern zwischenzulagern oder Strom in eigenen Erzeugungsanlagen zu produzieren.

Das Ziel einer strukturierten Energiebeschaffung ist es, eine optimale Auswahl aus verschiedenen Versorgungsverträgen zu bestimmen, die die Beschaffungskosten minimiert, aber gleichzeitig sicherstellt, dass die Energienachfrage jederzeit gedeckt wird. Dies kann mit Hilfe quantitativer Optimierungsmodelle vorgenommen werden, indem die Vertragsentscheidungen in einem mathematischen Modell abgebildet werden. Die Ermittlung eines optimalen Gasbeschaffungsportfolios unter Berücksichtigung von Preis- und Nachfrageunsicherheit aus Sicht eines Gasversorgungsunternehmens wird beispielsweise in Schmidt (2012) vorgestellt.

 

 

Veröffentlichungen

  • Kumbartzky, Nadine; Schacht, Matthias; Schulz, Katrin; Werners, Brigitte (2016): Bidding in German Electricity Markets — Opportunities for CHP Plants, erscheint in: Operations Research Proceedings 2015.
  • Kumbartzky, Nadine; Werners, Brigitte (2016): Performance von Risikoentscheidungen für die strukturierte Energiebeschaffung, in: Ahn, Heinz; Clermont, Marcel; Souren, Rainer (Hrsg.): Nachhaltiges Entscheiden. Beiträge zum multiperspektivischen Performancemanagement von Wertschöpfungsprozessen, Wiesbaden 2016, S. 469 - 489.
  • Kumbartzky, Nadine; Werners, Brigitte (2016): Optimising energy procurement for small and medium-sized enterprises, in: Lübbecke, Marco; Koster, Arie; Letmathe, Peter; Madlener, Reinhard; Peis, Britta; Walther, Grit (Hrsg.): Operations Research Proceedings 2014, Basel 2016, S. 321 - 326.
  • Schacht, Matthias; Werners, Brigitte (2016): Impact of heat storage capacity on CHP unit commitment under power price uncertainties, in: Lübbecke, Marco; Koster, Arie; Letmathe, Peter; Madlener, Reinhard; Peis, Britta; Walther, Grit (Hrsg.): Operations Research Proceedings 2014, Basel 2016, S. 487 - 492.
  • Schulz, Katrin (2016): Risk-adapted capacity determination of flexibility investments for distributed energy resource systems, erscheint in: Operations Research Proceedings 2015.S
  • Schulz, Katrin; Hechenrieder, Bastian; Werners, Brigitte (2016): Optimal operation of a CHP plant for the energy balancing market, in: Lübbecke, Marco; Koster, Arie; Letmathe, Peter; Madlener, Reinhard; Peis, Britta; Walther, Grit (Hrsg.): Operations Research Proceedings 2014, Basel 2016, S. 531 - 537.
  • Schulz, Katrin; Werners, Brigitte (2015): Capacity determination of ultra-long flexibility investments for district heating systems. In: Journal of Business Economics 85 (6), S. 663–692. DOI 10.1007/s11573-015-0766-4.
  • Kumbartzky, Nadine; Werners, Brigitte (2014): Chancen und Risiken strukturierter Energiebeschaffung, in: Jörn-Axel Meyer (Hrsg.): Jahrbuch der KMU-Forschung und -Praxis 2014 - Energie- und Umweltmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen, Köln 2014, S. 309 - 340.
  • Schacht, Matthias; Schulz, Katrin; Werners, Brigitte (2014): Wirtschaftlichkeitsanalyse von KWK-Anlagen für die Eigenerzeugung in KMU, in: Jörn-Axel Meyer (Hrsg.): Jahrbuch der KMU-Forschung und -Praxis 2014 - Energie- und Umweltmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen, Köln 2014, S. 275 - 307.
  • Schulz, Katrin; Schacht, Matthias; Werners, Brigitte (2014): Influence of fluctuating electricity prices due to renewable energies on heat storage investments, in: Operations Research Proceedings 2013, Berlin 2014, S. 421-428.
  • Schacht, Matthias; Schulz, Katrin (2013): Kraft-Wärme-Kopplung in kommunalen Energieversorgungsunternehmen, Volatile Einspeisung erneuerbarer Energien als Herausforderung, in: Armborst, Kathrin et al. (Hrsg.): Management Science, Modelle und Methoden zur quantitativen Entscheidungsunterstützung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Brigitte Werners, Hamburg 2013, S. 337-363.
  • Schmidt, Stefan (2012): Optimale Vertragsauswahl in der strategischen Gasbeschaffung, zugl. Diss. Ruhr-Universität Bochum, 2011, Hamburg 2012.

  

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