Forschung

Schwerpunkte

Signalübertragung im visuellen System von Drosophila

Leistungsfähiges visuelles System

Die effektive Wahrnehmung und Verarbeitung visueller Impulse steuert das Verhalten vieler Insekten und leistet dadurch einen essentiellen Beitrag zu ihrem Überleben. Zum Schutz vor Feinden in einem Umfeld mit wechselnden Lichtverhältnissen muss ihr Organismus in der Lage sein, schnell auf minimale Änderungen in der Lichtintensität reagieren zu können.

Der zugrunde liegende Prozess der Phototransduktion stellt im Falle der Taufliege Drosophila melanogaster eine der schnellsten bekannten G-Protein gekoppelten Signalkaskaden dar. Da bei fliegenden Insekten auch eine hohe zeitliche Auflösung der Signalwahrnehmung wichtig ist, hat sich ein ebenso schneller Mechanismus der Adaptation und Signaltermination entwickelt. Effektiver Nutzen aus visuellen Signalen lässt sich jedoch nur dann ziehen, wenn die Informationen auch entsprechend schnell und mit möglichst hoher Informationsdichte zu höheren Gehirnzentren weitergeleitet werden. Aus diesem Grunde schließen sich an die eigentliche Lichtwahrnehmung Verarbeitungsschritte an, die aber bisher noch nicht in allen Details verstanden sind und mit denen sich unsere Forschungsprojekte beschäftigen.

Mutationen in der Körperfarbe und beim Sehvermögen

Die Proteine Ebony und Tan der Taufliege Drosophila melanogaster spielen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung einer stabilen und schützenden Kutikula, durch die sich viele Insekten auszeichnen.

Fliegen mit einem Defekt in einem dieser Genprodukte sind daher direkt an ihrer veränderten Körperfarbe zu erkennen: ebony Fliegen sind ebenholzschwarz, während tan Fliegen sehr viel heller gefärbt sind als normale Tiere.

Kutikulafärbung


Beide Mutanten zeigen neben diesen Abweichungen in der Färbung der Kutikula aber auch Defekte in der elektrophysiologischen Reizweiterleitung. Sowohl die ebony als auch die tan Mutante weisen Elektroretinogramme (ERGs) auf, in denen keine Transienten zu beobachten sind. Diese Transienten werden durch eine Übertragung der Signale von den Photorezeptorzellen auf die nachgeschalteten Interneurone in der Lamina bzw. Medulla hervorgerufen. Zeigen die Tiere ERGs ohne Transienten, ist dies immer ein Hinweis darauf, dass essentielle Genprodukte für die Weiterleitung der visuellen Reize fehlen.

ERGs


Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die beiden Enzyme Ebony und Tan jeweils eine Rolle in so unterschiedlichen Bereichen wie der Ausbildung der Kutikula einerseits sowie der elektrophysiologischen Reizweiterleitung im visuellen System andererseits spielen [True 2005].

Enzymatische Fähigkeiten von Ebony & Tan

Eine Analyse des ebony Gens [Caizzi 1987] sowie die Expression des Ebony Proteins in heterologen Systemen zeigte eine funktionelle Verwandschaft mit der in niederen Organismen weit verbreiteten Proteingruppe nicht-ribosomaler Peptidsynthasen [Hovemann 1998] . Ebony ist dabei in der Lage, ein ganzes Spektrum biogener Amine – wie beispielsweise Dopamin, Histamin, Tyramin, Octopamin – mit der Aminosäure beta-Alanin kovalent zu verknüpfen. Der Nachweis des zugrunde liegenden Reaktionsmechanismus konnte von unserer Arbeitsgruppe erstmals für ein Protein aus einem eukaryotischen Organismus erbracht werden [Richardt 2003] .
Wichtig für die visuellen Fähigkeiten ist die Umsetzung von Histamin: Dies ist der Transmitter, der von den Photorezeptorzellen in Abhängigkeit von den äußeren Lichtverhältnissen ausgeschüttet wird.

Unsere Untersuchungen der enzymatischen Fähigkeiten von Tan zeigten, dass dieses Protein als funktionaler Gegenspieler von Ebony anzusehen ist. Tan ist nämlich in der Lage, unter anderem beta-Alanly-Histamin zu spalten, so dass Histamin wieder freigesetzt wird [True 2005].

Expression der Proteine Ebony & Tan im Insektenauge

Im visuellen System ist das Ebony Protein in den ersten optischen Loben, der Lamina und der Medulla, nachweisbar, und dort beschränkt auf Gliazellen, welche die Endigungen der Photorezeptorzellen umhüllen [Richardt 2002]. Damit sind die exprimierenden Zellen in unmittelbarer Nähe des synaptischen Spaltes angeordnet – räumlich ideal, um überschüssigen Transmitter aus dem Spalt aufzunehmen.

Ebony-Tan


Das Tan-Protein hingegen wird im visuellen System ausschließlich in den Photorezeptorzellen R1–8 exprimiert, welche den Neurotransmitter Histamin in Abhängigkeit von den äußeren Lichtverhältnissen ausschütten [Wagner 2006].

Modell des Transmitterkreislaufes

Aus diesen Ergebnissen zu den enzymatischen Fähigkeiten der Enzyme sowie ihrem jeweiligen Expressionsort ergibt sich hier das Modell eines Transmitterkreislaufes, in dem Ebony und Tan essentielle Rollen zukommen. Danach wirkt das von den R-Zellen ausgeschüttete Histamin auf den postsynaptischen Histamin-gesteuerten Chloridkanal. Ein rasches Absinken des Histaminspiegels im synaptischen Spalt erfolgt durch Aufnahme in die umgebenden Gliazellen. Dort kann Histamin durch das Ebony-Enzym zu beta-Alanyl-Histamin inaktiviert werden.

Postulierter Transmitterkreislauf


Nach einem mechanistisch noch nicht verstandenen Rücktransport in die Photorezeptorzellen kann dann das Tan Protein den Neurotransmitter durch enzymatische Spaltung zu beta-Alanin und Histamin reaktivieren. Histamin stünde dann erneut zur vesikulären Ausschüttung zur Verfügung und der Kreislauf könnte sich schließen.

Eine zentrale, uns aktuell beschäftigende offene Frage in diesem Modell ist: Wie werden die Substanzen über die jeweiligen Zellmembranen transportiert?

Literatur

Caizzi, R., Ritossa, F., Ryseck, R.-P., Richter, S. and Hovemann, B. (1987)
Characterization of the ebony locus in Drosophila melanogaster.
Mol Gen Genet. 206:66-70

Hovemann, B.T., Ryseck, R.-P., Walldorf, U., Störtkuhl, K.F., Dietzel, I.D., Dessen, E. (1998)
The Drosophila ebony gene is closely related to microbial peptide synthetases and shows specific cuticle and nervous system expression.
Gene. 221(1):1-9 Abstract

Richardt, A., Ryback, R., Störtkuhl, K.F., Meinertzhagen, I.A., and Hovemann, B.T. (2002)
The Ebony protein in the Drosophila nervous system: optic neuropile expression in glial cells.
J Comp Neurol. 452(1):93-102 Abstract Artikel

Richardt, A., Kemme, T., Wagner, S., Schwarzer, D., Marahiel, M. and Hovemann, B.T. (2003)
Ebony: A novel nonribosomal peptide synthetase for beta-alanine conjugation with biogenic amines in Drosophila.
J Biol Chem. 278(42):41160-6 Abstract Artikel

John True, Shu-Dan Yeh, Bernhard T. Hovemann, Tobias Kemme, Ian A. Meinertzhagen, Tara N. Edwards, Shian-Ren Liou, Qian Han, Jianyong Li (2005)
Drosophila tan encodes a novel hydrolase required in pigmentation and vision.
PLoS Genet. 1(5):e63 Cover Artikel Pressemitteilung

Stefanie Wagner, Christiane Heseding, Kamila Szlachta, John R. True, Heino Prinz, and Bernhard T. Hovemann (2007)
Drosophila photoreceptors express cysteine peptidase Tan.
J Comp Neurol. 500(4):601-11 Abstract Artikel

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Aktuelle Publikation

Visuelle Signaltransduktion

Das Tan Protein hat mit der Spaltung von Carcinine eine Schlüsselfunktion im Recycling Kreislauf des Neurotransmitters Histamin im Drosophila Auge. Es ist auch an dem Prozess der Kutikula Bildung beteiligt. Dort spaltet es beta-Alanyl-Dopamin, eine Hauptkomponente des Sklerotisierungsprozesses.

Alternative tasks of Drosophila tan in neurotransmitter recycling vs cuticle sclerotization disclosed by kinetic properties


Silvia Aust, Florian Brüsselbach, Stefanie Pütz, and Bernhard T. Hovemann
J. Biol. Chem. 2010 Jul 2;285(27):20740-7

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Um diese pleiotropischen Funktionen zu untersuchen, haben wir Tan als His6-Fusionsprotein in E. coli exprimiert und zur Homogenität gereinigt. Die kinetischen Parameter der Carcinin (B) und beta-Alanyl-Dopamin (A) Spaltung zeigen profunde Unterschiede. Der Km Wert der beiden Substrate unterscheidet sich um etwa zwei Zehnerpotenzen. Darüber hinaus spiegelt die Konzentrationsabhängigkeit der Aktivität die Erfordernisse der jeweiligen zellulären “Pathways” wieder, an denen Tan beteiligt ist.

Unsere Untersuchungen zeigen, wie das Enzym verschiedene Aufgaben in pleiotropen Funktionen durch Variation der Substrataffinität und Reaktionsgeschwindigkeit handhaben kann. Damit erweitern sie unser Verständnis von Kutikula Sklerotisierung und Histamin Neurotransmitter Recycling in Drosophila.

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