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Die Ruhrkohle im "Dritten Reich"

Angesichts der überragenden Bedeutung der Steinkohle für die nationalsozialistische Kriegs- und Autarkiewirtschaft überrascht es nicht, dass es hinsichtlich der Förderung und Verteilung der Kohle zu Auseinandersetzungen kam. Das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat war als Vertreter des größten deutschen Steinkohlenreviers das mächtigste Steinkohlensyndikat im Deutschen Reich und regulierte Förderung, Preisbildung und Absatz für die angeschlossenen Steinkohle-Zechen. Das Syndikat stand auf Grund seiner zentralen Bedeutung im Fokus der nationalsozialistischen Interessen. Gemessen an dieser Bedeutung ist es – das gilt auch für die Kohlewirtschaft allgemein – in der historischen Forschung zum Nationalsozialismus bisher allerdings vernachlässigt worden.


Die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte des Ruhrkohlenbergbaus im frühen 20. Jahrhundert kann nur als ein Aushandlungsprozess zwischen den Zechengesellschaften, dem Syndikatsvorstand und dem Staat gesehen werden. Nach dem derzeitigen Forschungsstand sind die Strategien der Unternehmen innerhalb des Syndikats noch völlig unbekannt. Das Syndikat bildete keineswegs einen monolithischen Block. Vielmehr wurden die Konkurrenzkämpfe in das Innere des Syndikats verlagert. Diese internen Fliehkräfte konnten augenscheinlich im Nationalsozialismus gebändigt werden; in den 1920er Jahren noch hatten diese die Existenz des Syndikats gefährdet. Auch die Rolle des „Staates“ ist nach dem derzeitigen Stand nicht eindeutig zu verorten. Im Nationalsozialismus schalteten sich in die Kohlenbewirtschaftung verschiedene, teils konkurrierende staatliche Stellen und Sonderinstanzen ein. Wie in vielen anderen Fragen der Prioritätensetzung in der Rohstoffpolitik waren sich die Behörden gegenüber der Steinkohle in ihrem Vorgehen uneins. Das wichtigste Ziel der Syndikatsleitung muss es gewesen sein, staatliche Eingriffe in seine Autonomie abzuwehren und seine Funktionalität zu bewahren. Das Projekt untersucht deshalb die Einflussmöglichkeiten des RWKS auf die Entscheidungsträger in den Behörden und auf deren praktische Politik unter den Bedingungen einer gelenkten Marktwirtschaft.


Zur Untersuchung der komplexen Beziehung zwischen Ruhrkohlensyndikat und Staat im Nationalsozialismus bieten sich qualitative Netzwerkansätze an, wie sie bereits in der historischen Forschung zum Einsatz gekommen sind. Damit rücken die Untersuchung von Handlungsformen und Möglichkeiten der Akteure, ihre reziproke Beziehung zueinander sowie die Identifizierung von Strategien und Aushandlungsprozessen in den Vordergrund.


Bearbeiterin: Johnnah Weber