Aufstieg und Blüte der deutschen Kokereiindustrie



Koks als Kohlen-Wertstoff wurde schon lange vor 1880 als wichtiger Grundstoff in der Eisenverhüttung gebraucht und über lange Zeit in recht einfachen „Bienenkorböfen“ gewonnen. In diesen wurde Steinkohle unter Luftabschluss zu Koks verschwelt, wobei die entstehenden Kohlenabgase ungenutzt in die Umgebung abgegeben wurden. Neben der wachsenden Umweltbelastung, die immer größere Probleme mit den Anliegern der Anlagen mit sich brachte, wurde bald auch klar, dass in diesen bislang ungenutzten Gasen wichtige und wirtschaftlich nutzbare Nebenprodukte enthalten waren.

Die deutschen Kokereibauer erkannten bald nach ihren belgischen Mitbewerbern das Potential dieser Nebenprodukte und entwickelten neue Koksöfen, die diese Gase, wie auch die entstehenden Feststoffe, wie etwa Teer, für die Betreiber wirtschaftlich nutzbar machten. Ein Pionier beim Bau solcher Anlagen war Carlos Otto, der einerseits eine Fabrik für feuerfeste Steine zum Ofenbau betrieb und gleichzeitig den ersten Koksofen entwickelte, in dem das entstehende Gas nicht, wie zuvor, einfach abgegeben oder komplett verbrannt wurde, sondern zur weiteren Nutzung abgefangen werden konnte. Der Otto-Hoffmann-Regenerativofen konnte mit eigenem Gas beheizt werden und erzeugte noch Überschussgas, das etwa als Leuchtgas weiterverkauft werden konnte und größeren Gewinn versprach.

Die Firma Otto blieb nicht lange allein auf dem Markt der Koksofenbauer. Schon bald machte sich der Ingenieur Heinrich Koppers 1898 mit einer eigenen Konstruktionsfirma selbstständig, nur kurze Zeit später gründete Carl Still eine ähnliche Firma und auch die bereits etablierte Firma Didier, die sich bislang auf feuerfeste Materialen, Brennöfen und Gaswerke konzentriert hatte, begann Koksöfen zu entwickeln und zu bauen. Innerhalb von weniger als 25 Jahren entstand im Ruhrgebiet ein „Cluster“ von Kokereibauunternehmen, die international agierten, in zum Teil erbitterter Konkurrenz miteinander standen und dennoch gemeinsame Wurzeln hatten.

Die technische Entwicklung der verschiedenen Ofentypen hat Franz Michael Ress 1957 in seinem Werk „Geschichte der Kokereitechnik“, das bis heute den Maßstab setzt, sehr eingehend beschrieben, ebenfalls beschäftigen sich zahlreiche andere Untersuchungen vor allem mit der technischen Entwicklung der Koksöfen sowie der Nutzung der Nebenprodukte. Die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen ist bislang vor allem aus der Perspektive der einzelnen Firmen erfolgt. Dabei lag der Fokus eher auf einer individuellen Unternehmensgeschichte. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Firmen, ihre unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die Beziehungen der Unternehmen untereinander sowie Erfolg und Misserfolg in Konkurrenz zueinander wurden bislang nicht erforscht.

Dieses Projekt will im Rahmen einer Cluster-Analyse die im Ruhrgebiet ansässigen Kokereibauunternehmen vor allem im Hinblick auf ihre Beziehungen untereinander näher untersuchen. Dabei sollen neben den Verbindungen der verschiedenen Unternehmen zueinander auch die Strategien der Beteiligten untersucht werden, die zum Teil sehr unterschiedliche und im Zeitablauf veränderte Wege gingen, ihre Produkte zu vermarkten. Das Ziel soll es sein, nach der Geschichte der Kokereitechnik, wie sie bei Ress vorliegt, systematisch eine Unternehmensgeschichte der Kokereibau-Industrie des Ruhrgebiets zu entwickeln.