DIE PHILOSOPHIN

Forum für feministische Theorie und Philosophie


Philosophin 26

Feministische Philosophie in Spanien


 Vorwort

 

Diese Nummer mit dem Schwerpunkt Feministische Philosophie in Spanien ist in mehrfacher Hinsicht eine Sondernummer.

Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte der Philosophin einen Schwerpunkt komplett in die Verantwortung einer  Gastherausgeberin gestellt und möchten an dieser Stelle Marie Isabel Pena Aguado danken. Dieses Vorgehen möchten wir in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wiederholen.

Das Thema der aktuellen Nummer ist auch für andere Sprachräume denkbar, für den französischen, italienischen, polnischen und südamerikanischen zum Beispiel. Für den aktuellen Schwerpunkt, spanische feministische Philosophie, haben wir uns im Vorfeld des Symposions der IAPh im Oktober in Barcelona entschieden. Er zeigt deutlich, wie wichtig es für die Diskussionen in der Philosophie und in der feministischen Theorie ist, Sprachgrenzen zu überschreiten, Übersetzungen zu versuchen und damit auch Diskursräume zu öffnen.

Doch diese Übersetzungen, ein solches Konzept, verlangen viel Arbeit, Einsatz und eine intensive Zusammenarbeit, unter anderem auch auf der Ebene der Organisation einer Nummer der Zeitschrift. Dieses Mal sind wir durch die vielfältigen Schwierigkeiten bei den Übersetzungen sehr unter Zeitdruck geraten und diese Nummer erscheint zu unserem großen Bedauern zu spät.

Wir freuen uns, zur Unterstützung unserer Arbeit auch aus diesem Grund schon für die vorliegende Ausgabe eine neue Mitarbeiterin gewonnen zu haben, die Berliner Philosophin Catherine Newmark, die in Absprache mit uns den Rezensions- und Überblicksteil redaktionell betreuen wird.

 

Ursula Konnertz

Astrid Deuber-Mankowsky

 

 

 

EINLEITUNG

 

Fragen wie "Philosophie in Spanien?" und  "Gibt es überhaupt eine spanische Philosophie?" weisen auf die hiesige Unkenntnis in Bezug auf spanische Philosophie hin.

Eine Spanierin, die Deutschland als zweite Heimat gewählt hat, und für die bei dieser Entscheidung die Philosophie eine entscheidende Rolle gespielt hat - für viele hierzulande ist das schwer zu verstehen. Un dies vor allem, sobald die Verbindung zwischen Spanierin und Philosophie deutlicher wird. Den Namen José Ortega y Gasset hat man zwar vielleicht schon gehört. Darüber hinaus aber sind  Philosophen wie Francisco Suárez, Francisco Sánchez, 'Der Skeptiker', Baltasar Gracián oder  Donoso Cortés nur wenigen der gebildeten Philosophen geläufig. Hinzu kommt, dass Spanien als ein Land wahrgenommen wird, in dem Religion und Kirche das Oberhand in Sache Denken und Bildung übernommen haben,  mit verheerender Wirkung für die Selbständigkeit des Denkens. Und dennoch ... in Spanien wird Philosophie gelesen, studiert und geschrieben, obschon die Spanier selbst sich immer noch nicht so sicher sind, ob es so etwas wie eine genuin  spanische Philosophie gebe. Die Tatsache, dass bereits so lange und oft darüber diskutiert wird, verrät die Unsicherheit, die uns Spanier selbst überfällt, wenn wir unsere eigene Philosophie heraufbeschwören wollen. Diese Unsicherheit  lässt sich deutlich in den Universitäten spüren, wo kaum einmal ein spanischer Philosoph, geschweige denn eine spanische Philosophin auf dem  Lehrplan steht. Die gegenwärtigen Versuche von Andrés Ortíz-Oses oder Carlos Thibeau für das spanische Denken eine Tradition fruchtbar zu machen, deren Wurzel weniger in der rationalistischen Tradition der Aufklärung als viel mehr in der Renaissance zu finden wäre, entstehen ebenfalls aus dieser Diskussion um das Wesen der spanischen Philosophie.[1]

Das Interesse, das die in Spanien geschriebene Feministische Philosophie weckt , ist nicht größer. Sie erleidet dasselbe Schicksal, doch kommt bei ihr noch ein Misstrauen hinzu, mit dem man ohnehin der feministischen Philosophie begegnet. In einem wichtigen Punkt allerdings  unterscheidet sich die Entwicklung der feministischen Philosophie von der übrigen Philosophie in Spanien: Sie brauchte, ja konnte   die Frage nach dem Wesen einer spanischen Philosophie nicht  stellen,  denn auf welche Tradition hätte sie zurückgreifen können? So resultiert aus diesem Mangel an Tradition in diesem Fall ein  Vorteil.

Die spanischen Philosophinnen und Philosophen, die sich für feministische Philosophie interessieren, haben sich einen Weg durch eine verborgene Tradition bahnen müssen, so wie in anderen Ländern auch. Jenseits der Ausgrabung und Revitalisierung weiblicher Vorbilder, unterscheiden sich die Probleme und Ansätze, die  die spanische Feministische Philosophie voran treiben, nicht viel von denen, die wir hier in Deutschland kennen. Es gibt eine breite Rezeption von amerikanerischen und französischen Autorinnen, eine Gruppe, die sich für das italienische Modell feministischen Denkens interessiert und eine große Unwissenheit über das, was auf Deutsch geschrieben wird. Eine Unwissenheit, die auf Gegenseitigkeit berührt, denn auch hierzulande findet die feministische Philosophie, die in Spanien und Lateinamerika publiziert wird, kaum ein  Echo.

Diese Nummer von Die Philosophin möchte ein erster Beitrag sein, um den Dialog zwischen den deutsch- und den spanischschreibenden Philosophinnen zu eröffnen. Die Idee, der Feministisch orientierten Philosophie in Spanien einen ganzen Nummer zu widmen, entstand im Zusammenhang mit dem X. Symposium der Internationalen Assoziation von Philosophinnen (IAPh), das zum ersten mal in seiner Geschichte in einem romanischen Land stattfand: Anfang Oktober 2002 in Barcelona. Während der Vorbereitungszeit hatte ich Kontakt mit Ursula Konnertz aufgenommen mit der Absicht, ein bis zwei Artikel spanischer Autorinnen zu übersetzen und zu veröffentlichen. Dass aus diesem Vorhaben bald das Angebot entstand, eine ganze Nummer der Zeitschrift über die feministische Philosophie in Spanien herauszugeben, übertraf alle meine Erwartungen. Dafür möchte ich Ursula Konnertz und Astrid Deuber-Mankowsky von Herzen danken. Ursula stand mir von Anfang an mit guten Ratschlägen und viel Verständnis zur Seite. Die Resonanz bei den spanischen Kolleginnen war sehr positiv. Jede der Befragten machte sich trotz ihrer Lehrverpflichtungen und eigenen Projekte schnell an die Arbeit, die verschiedenen Ausgangspositionen und Forderungen des Feminismus und der feministischen Theorie in Spanien zu verdeutlichen, um einen Überblick darüber zu vermitteln. Alicia Puleo hat sich die Darstellung des Beginns sowie der Weiterentwicklung des Feminismus und der feministischen Theorie in Spanien zur Aufgabe gemacht. Sie hat dankenswerter Weise eine bibliographische Auswahl von Texten zusammengestellt, die für eine weitergehende  Beschäftigung mit dem Feminismus in Spanien hilfreich ist. Elvira Burgos, Carmen López und Milagros Rivera haben sich jeweils einen Ansatz in der feministischen Diskussion vorgenommen und sind sowohl seiner Rezeption als auch seinem Einfluss in Spanien nachgegangen. Elvira Burgos Díaz berichtet in ihrem Aufsatz über die polemische Diskussion, die trotz der späten Übersetzung ihrer Texte ins Spanische um Judith Butlers Theorie der Geschlechter entbrannt ist. Carmen López Sáez widmet sich den Möglichkeiten, welche die Phänomenologie für den Feminismus eröffnet und wie diese in der spanischen feministischen Philosophie wahrgenommen werden. Milagros Rivera Garretas erzählt über ihre Begegnung mit der Frauen der Diotima Gruppe und welche Resonanz das feministische Verständnis der Italienerinnen in Spanien gefunden hat, welche Frauenbuchhandlungen bereits vorhanden sind sowie über den intensiven Austausch, der zwischen Italienerinnen und Spanierinnen vor allem in Barcelona stattfindet. Victoria Camps Cervera blickt in die Zukunft und bietet uns eine Reflexion über die sozialen Konsequenzen und Veränderungen, die  ein feministischer Standpunkt mit sich bringt und erzielen sollte. Dabei wird deutlich, welche reale, wenn auch immer wieder ignorierte gesellschaftliche Leistung die Frauen als Fürsorgerinnen der Familie für den Staat und die Gesellschaft erbracht haben. Dies bedeutet schließlich, dass die Erfolge, die dem feministischen Einsatz zuzuschreiben sind, eine Chance darstellen für eine Umstrukturierung unserer Gesellschaft sowie für ein neues Verständnis sozialen Lebens.

Das Gespräch mit Fina Birulés reflektiert über die Schwierigkeiten und Errungenschaften des heutigen Feminismus. Fina Birulés spricht von einem "Unbehagen der Emanzipation", das sich unter anderem zeigt, wenn wir bemerken, dass trotz der erreichte Gleichberechtigung immer noch "breite Bereiche der weiblichen Erfahrung weiter hin als 'Orte der Unwürdigkeit' gelten". Ähnliches passiert, wenn es um die intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen der Frauen: Ihre Werke werden nicht als solche wahrgenommen, was die Anerkennung von  Autorität und Kompetenz der Frauen sehr erschwertt. Dem Feminismus und der feministischen Theorie bleiben von daher noch viel zu tun. Und sie müssen mit  verstärkter Selbstkritik  diese Arbeit realisieren. Diese Selbstreflexion sollte allerdings nicht lähmend wirken, sondern einfach unsere Wahrnehmung für die Wirklichkeit und die Besonderheiten unserer Zeit stärken. Eine solche Aufgabe ist länderübergreifend.

Noch ein Wort zu den Übersetzungen: Jede von uns übernimmt die Verantwortung für die selbst übersetzten Texte. Die räumliche Nähe hat die intensive Zusammenarbeit zwischen Gesine Märtens und mir begünstigt. Von den sprachlichen Auseinandersetzungen und den daraus entstandenen, meist inhaltlichen Diskussionen haben wir beide persönlich und intellektuell viel profitiert. Astrid Melzer-Titel steht mir seit Jahren bei den Korrekturen der von mir verfassten Texte zur Seite. Allen gilt mein Dank für ihre großzügige Hilfe und ihr Engagement. Das letzte Wort sei – wie sonst oft bei den letzten Äußerungen – ein Wunsch: Dass die Herausgeberinnen von Die Philosophin an solchen Sondernummern Gefallen finden und uns immer wieder mal mit einem anderen Land überraschen.

 

María Isabel Peña Aguado

 

 

 

 



[1]Diesem Thema ist Astrid Melzer-Titel in ihrer Doktorarbeit nachgegangen, die unter dem Titel Modernität des Südens (Neuried bei München, 2003) erscheinen wird.