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I. Vegetation und Ruinenstätte
Heute sind große Teile des ehemaligen Stadtgebietes von Vegetation
bedeckt. In der unausgegrabenen südlichen Stadthälfte dehnen sich
bis zu den Stadtmauern Felder aus, die jedes Jahr neu bestellt
werden. Auf der größten Agora der Stadt, dem sog. Südmarkt, der
nur teilweise durch Grabungen erforscht ist, befindet sich heute
ein Baumwollacker. Nur der Stadtbereich um das Theater und um
das 1899-1913 ausgegrabene Stadtzentrum sowie der nördliche Stadthügel
(Hometepe) sind heute frei von landwirtschaftlicher Intensivnutzung.
In diesen Gebieten wird ganzjährige Weidewirtschaft betrieben.
Dadurch wird das Gelände zwar stark überdüngt, andererseits aber
auch das Hochkommen einer wild wuchernden Macchia verhindert.
In der Südstadt liegen einige bereits früher ausgegrabene Ruinen
wie Inseln in einem grünen Meer. Das Heilige Tor in der südlichen
Stadtmauer, an dem Th. Wiegand seine Ausgrabungen im September
1899 begann (Miletarchiv), war im Lauf der letzten Jahre
vollständig unter der Vegetation verschwunden (Abb. 2). Erst durch
aufwendige Reinigungsmaßnahmen konnten die Baustrukturen wieder
sichtbar gemacht werden (Abb. 3). Solche Maßnahmen müssen sich
in kürzeren Zeitabständen wiederholen, weil die Düngung der benachbarten
Felder den Strauch- und Baumwuchs immer wieder hochtreibt. Ähnliche
Probleme bietet das antike Stadtzentrum, das ebenfalls schon von
Th. Wiegand ausgegraben worden ist. Die Hauptvegetation bilden
hier Tamarisken, die den von der Winterüberschwemmung (siehe unten)
zurückbleibenden salzhaltigen Boden bevorzugen (Abb. 4). Wenn
man sie nicht jedes Jahr bekämpft, würden auch hier die antiken
Reste bald nicht mehr sichtbar sein.
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5.
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Bäume
nisten sich selbst auf den höher anstehenden Ruinen ein. Da viele
Fugen dieser Bauten nicht mehr, wie zur Zeit der Erbauung, geschlossen
sind, sammelt sich Flugerde, die den Wurzeln Nahrung gibt. Eine
Jahrzehnte alte Terebinthe wie etwa diejenige, die hoch auf der
Westseite des Theaters von Milet (Abb. 5)
wuchs, mag zwar die Ruinenromantik gefördert haben, richtete aber
tatsächlich durch die Kraft ihrer Wurzeln beträchtliche Schäden
an der Bausubstanz an. Selbst tonnenschwere Blöcke können so aus
ihrer Lage gedrängt werden. Auch Mörtelmauerwerk wird durch Wurzeln
regelrecht gesprengt. Um schädliche Wurzeln zu beseitigen, müssen
oft große Blöcke aufwendig gehoben und wieder zurückversetzt werden.
Die Abbildungen 6-7 zeigen eine solche Prozedur, die an einer
anderen Stelle des Theaters notwendig wurde sowie die entfernte
Wurzel, die diese Kraft entwickelt hat.
II. Restaurierung und Bausanierung
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8.
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Die größte
Aufgabe für die Miletgrabung stellt z.Zt.
Restaurierung des Theaters dar, weil dieser Bau die Hauptruine von Milet
ist und auch die meisten Besucher anzieht. Das darf aber nicht
davon ablenken, dass auch an anderen Stellen des Stadtgebietes
immer wieder Bausubstanzen saniert werden müssen, um sie in ihrem
Zustand als Ruine zu erhalten und vor dem weiteren Verfall zu
schützen. In byzantinischer Zeit, als die Stadt auf ihren
innersten Kernbereich zurückgeschrumpft war, wurde über dem zur
Befestigungsanlage ausgebauten Theater ein Kastell errichtet.
Seit 1990 werden an diesem das Ruinenfeld beherrschenden Bau Sanierungsarbeiten
durchgeführt.
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10.
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Wie bei allen diesen
Restaurierungsarbeiten in Milet gilt auch hier das
Prinzip, nur den Bestand zu erhalten und zu sichern,
d.h. den Ruinenzustand zu bewahren und nicht etwa, den
Bau in seiner ursprünglichen Gestalt bis zu den Zinnen
wieder aufzubauen. Daher beschränken sich
die Maßnahmen beispielsweise darauf, Mauerlücken
(Abb. 8) auszuflicken, weil nur so ein weiterer Verfall
verhindert werden kann (Abb. 9). Wo die Außenschalen
der Mauern abgefallen sind und die empfindliche Innenfüllung
freigegeben haben (Abb. 10), werden sie auf den erhaltenen
Fundamenten und mit dem originalen Material, das in
der Regel noch an der Absturzstelle liegt, wieder
hochgezogen (Abb. 11).Eine
Rollschicht aus Ziegeln zeigt dabei die Grenze zwischen
dem alten und dem wiederhergestellten Mauerwerk an.
Bei allen diese Arbeiten wird vollkommen auf Beton
verzichtet, sondern nur der schon damals verwendete
und damit altbewährte Kalkmörtel eingesetzt. Mauern
werden nur auf erhaltenen Fundamenten nur so weit
hochgezogen, wie der erhaltene Bestand reicht, den
sie stützen sollen. Aber auch mit diesen vorsichtigen
Maßnahmen gelingt es, die ursprüngliche Gesamtsubstanz
sichtbar und den Bau für den Besucher wieder erfahrbar
zu machen.
Eine Luftaufnahme von 1998 zeigt den auf diese Weise
sanierten Grundriß des Kastells (Abb. 12). Vergleicht
man den hier sichtbaren Zustand mit demjenigen auf
einem alten Luftbild (Abb. 15), dann wird der Umfang
der geleisteten Sanierungsarbeiten deutlich. Besonders
die weitgehend verfallene Ostfront des Kastells, hier
in einer Aufnahme von 1991 (Abb. 13), hat sich durch
die geschilderten Maßnahmen beträchtlich verändert
(Abb. 14). In der Kampagne 2001 wurde zusätzlich die
komnenische Verteidigungsmauer mit ihrer Tordurchfahrt
restauriert, so daß die gesamte Verteidigungsanlage
jetzt viel von ihrer alten Wehrhaftigkeit zurückgewonnen
hat.
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13. |
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III. Anlage von Besucherwegen
Milet gilt als Muster einer geplanten antiken Stadt mit
rechtwinkelig angelegtem Straßensystem, als dessen Erfinder
Hippodamos von Milet gilt (Stadtplan
von Milet).
Da aber der Gesamtbereich der Stadt nur sehr unvollständig
ausgegraben ist, kann man heute von dieser Stadtplanung
kaum etwas im Gelände sehen. Eine Luftaufnahme aus den 70er
Jahren (Abb. 15) zeigt daher beispielsweise im Bereich östlich
des Theaters mit seinem damals noch verfallenen Kastell
keinerlei Straßen, sondern lediglich die offenen Wiegand’schen
Suchgräben mit ihrem nie beseitigten Grabungsschutt. Durch
diesen Bereich mußten die Besucher gehen, wenn sie sich
nach dem Besuch des Theaters in das ausgegrabene Stadtzentrum
begeben wollten, das gerade noch rechts im Bild erscheint.
Es blieb kaum eine andere Möglichkeit als sich - ohne etwas
über die antike Urbanistik zu erfahren - auf Trampelpfaden
vorwärts zu bewegen, die sich durch Gräben und Grabungsschutt
schlängelten.
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15. |
Um diese Situation
mit ihren verschiedenen negativen Aspekten zu
verbessern, wurde nach dem von W. Eder entwickelten
Konzept zur touristischen
Erschließung der Gesamtruine
von Milet mit der Anlage von Besucherwegen in
diesem Bereich begonnen. Das Konzept sah vor, dass die
Besucherwege in ihrer Richtung und ihrer
Dimensionierung den hippodamischen Straßen folgen
sollten, deren System von B. F. Weber für diesen Teil
der Stadt erschlossen worden ist (Stadtplan
von Milet). Statt Straßen auszugraben, was eine
jahrzehntelange Arbeit erfordert hätte, sollte dieses
„hippodamische System“ gewissermaßen auf die heutige
Geländeoberfläche „aufgezeichnet“ werden (Abb. 16).
Damit konnte der rein pragmatische Zweck der
Wegeerschließung mit einem didaktischen Hinweis auf
die ursprüngliche Stadtplanung kombiniert werden. Um
Ausgrabungsarbeiten nicht zu behindern, die später
hier vielleicht einmal stattfinden, sollten diese
Maßnahmen reversibel, d.h. rückgängig zu machen sein.
Diesen Zweck konnten am besten aufgeschüttete Erdwege
erfüllen, die jederzeit wieder zu entfernen sind und
nicht in unausgegrabene Schichten eingreifen. Für
diese Erdwege ließ sich wiederum der überall
herumliegenden Grabungsschutt verwenden, der auf diese
Weise in der Ruine blieb, gleichzeitig aber mit seinen
negativen Wirkungen aus dem Ruinenbild
verschwand.
Seit 1997 wird an dem beschriebenen Wegebau
gearbeitet. Der alte Grabungsschutt – hier das Bild
einer großen Halde an der Ostseite des Theaters (Abb.
17), wird von Hand abgebaut, damit nicht etwa damals
übersehene Kleinfunde wie Keramikscherben in die neuen
Wege gelangen. Die Abbildungen 18 bis 19 zeigen Etappen
beim Bau des Weges, der von dem hellenistischen Heroon
zum Bischofspalast führt. Man erkennt noch die
ursprüngliche Hügellandschaft aus altem Grabungsschutt
und den seitlichen Auswurf des großen Suchgrabens aus
dem Jahre 1903, der gerade eingeebnet wird. Die alten
Suchgräben bleiben, wenn immer möglich, offen, da sie
als Denkmäler der Archäologie auch schon zur
Geschichte der Ruinenstätte von Milet
gehören.
Im Verlauf der Grabungskampagne 2001 konnten die
Arbeiten zur Anlage von Besucherwegen in diesem
Bereich abgeschlossen werden (Abb. 20). Jeder, der vom
Theater zum Stadtzentrum herabsteigt, kann sich
ungehindert im Gelände bewegen. Er geht auf
simulierten „hippodamischen“ Straßen und kann
gleichzeitig eine Vorstellung von der Größe der
Insulae gewinnen, die hier noch nicht ausgegraben
sind.
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IV
Die Straße südlich des Bouleuterion |
Die Stadtruine von
Milet ist, wie eben gesagt, arm an ausgegrabenen und
heute wieder begehbaren Straßen. Eine von ihnen, die
mit gut erhaltenen Kalksteinplatten gepflasterte
Straße zwischen der
Südseite des Bouleuterions
und der Nordhalle des Südmarktes, liegt zwar heute an der
Erdoberfläche, war aber trotzdem bis vor kurzem nicht begehbar.
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21. |
Wie die Luftaufnahme (Abb. 21) zeigt,
war die Ursache ein die gesamte Straßenbreite
einnehmender Steinversturz, der sowohl von dem
Bouleuterion wie wohl auch von der iustinianischen
Stadtmauer stammte, die auf den Außenfundamenten der
Nordstoa des Südmarktes errichtet worden war. Das Bild
des Versturzes vor (Abb. 22) und nach (Abb. 23) der
oberflächlichen Reinigung von Bewuchs und dem Tang der
Winterüberschwemmungen zeigte ein dichtes Feld von
Baugliedern, das jedes Durchkommen unmöglich machte.
Die Aufräumungsarbeiten begannen im Jahre 1998 mit der
Herstellung eines Aufnahmeplanes, der jeden Stein in
seiner
Fundlage festhält. Während der Kampagne 1999
begann die Freiräumung der Straße, die dann im Jahre
2000 abgeschlossen werden konnte (Abb. 24). Im Verlauf
der Arbeiten wurden die Bauglieder, die zum Bouleuterien
gehören, diesem wieder zugeordnet. Ein Teil von ihnen
wurde an der Südseite des Hofes so aufgestellt, dass die
hier nicht mehr vorhandene (Abb. 21) Gebäudekante neu
betont wird.
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23. |
Die anderen Bauglieder erhielten ihren Platz auf den in
situ erhaltenen Fundamenten der Nordhalle des
Südmarktes, die auch von der Innenschale der
iustinianischen Stadtmauer benutzt worden waren. Auf
diese Weise entstand hier ein vertikales Steinlager, das
die Bauglieder vor den periodischen Überschwemmungen
schützt und gleichzeitig an die aus Spolien errichtete
byzantinische Verteidigungsmauer erinnert. Mit der
Aufschichtung von Bossenquadern auf den gleichen
Fundamenten, aber weiter östlich und im Anschluß an die
Reste des Markttores der Südagora (Abb. 25), die während
der Sommerkampagne 2001 durchgeführt wurde, ergibt sich
jetzt eine neue weite Sichtachse in dem nicht leicht zu
erschließenden Stadtbild von Milet. |
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V Das
Stadtzentrum und die Überschwemmungssituation
Naturräumliche und klimatische Veränderungen seit der
Antike sowie die landwirtschaftliche Nutzung
(Baumwollbewässerung) im Umfeld von Milet haben dazu
geführt, daß die tiefer liegenden Teile der Stadtruine
von Milet im Winter und periodisch auch während der
Sommermonate unter Wasser stehen (Abb. 26). Die Ursachen
dieser
Überschwemmung und ihre Folgen für
die
Bausubstanzen
werden im Rahmen
der Miletgrabung erforscht. Bevor eine grundsätzliche
Abhilfe für das Problem geschaffen werden kann, muß
diese Zone immer wieder gereinigt und gepflegt werden,
um die hier vorhandenen antiken Reste wenigstens in den
Sommermonaten einem ständig anwachsenden Besucherstrom
in angemessener Weise präsentieren zu können. |
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26. |
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28. |
Das Luftbild (Abb. 27) zeigt den Zustand
des Stadtzentrums nach Rückgang der Überschwemmung. An
der tiefsten Stelle, dem
Delphinion,
das nur nach sehr regenarmen Wintern vollkommen
trocken ist, steht noch Wasser, das sich in einer Lache
bis zum Hafentor ausdehnt. Eingeschwemmte Erde bedeckt
das Plattenpflaster der Heiligen Straße und des etwas
weiter südlich liegenden zentralen Platzes. Nach dem
Rückgang des Wassers ist das gesamte Gelände von Tang
überzogen , der entfernt und abgefahren werden muß
(Abb. 28).
Im Sommer 2001 wurden umfangreiche Reinigungsarbeiten im
Stadtzentrum durchgeführt. Hierbei wurden die Tamarisken
entfernt, die sich bis in diese Zone ausgedehnt hatten,
und die eingeschwemmte Erde abgefahren (Abb. 29). Das
Ergebnis der Aktion wird in der Gegenüberstellung mit
dem Zustand von 1999 deutlich (Abb. 30 und 31), wobei
die Fotos jeweils ungefähr aus dem gleichen Blickwinkel
aufgenommen worden sind. Mit den Reinigungsarbeiten
gingen weitere Aufräumarbeiten Hand in Hand.
Herumliegende Bauglieder wurden neu geordnet,
zurückgesetzt oder in ein höher gelegenes Bauteilelager
gebracht, wo sie in Zukunft vor der Überschwemmung in
Sicherheit sind. Diese Arbeiten sollen in den nächsten
Kampagnen fortgeführt werden. Das Ziel ist in erster
Linie, den weiträumigen Eindruck dieses Zentrums des
hellenistisch-römischen Milet wiederherzustellen (Abb.
32), um damit die ursprüngliche geplante Raumgestaltung
besser zur Anschauung zu bringen. |
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32. |
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