Interdisziplinäre Forschungen Paläoanthropologie

Prof. Dr. Manfred Kunter

Der Kazartepe: Eine Nekropole für Athleten?

 

 
 

Skelettreste früherer Grabungen in einer Befundkiste.

 

In der hellenistisch-römischen Nekropole auf dem Kazartepe, unmittelbar südlich des antiken Milets, die vom 4. Jh. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr. in Gebrauch war, sind die zum Großteil sehr schlecht erhaltenen und stark fragmentierten Skelette von 280 Individuen geborgen worden. Beifunde und die makroskopische Untersuchung der Skelette lassen vermuten, dass die Bestatteten einer gehobenen Bevölkerungsschicht angehörten. Dafür sprechen die Alters- und Geschlechterverteilung, der starke Sexualdimorphismus und der gute Gesundheits- und Ernährungszustand der Skelette.

Subadulte Individuen (unter 20 Jahren) sind nur in 10 % der Fälle zu finden. Der Kazartepe ist eine Nekropole überwiegend für Männer (ca. 70 %). Für die Männer liegt das ermittelte Durchschnittsalter bei 53 Jahren, für die Frauen bei 51 Jahren. Diese Werte liegen deutlich über denen vergleichbarer hellenistisch-römischer Gräberfelder.

 Beim postcranialen Skelett fällt der Geschlechterunterschied deutlich auf: Während die Männer besonders derbe, kräftige Langknochen mit sehr starken Muskelansatzmarken aufweisen, haben die Frauen grazile Langknochen mit schwachen, maximal mittelstarken Muskelansatz­marken. Evident sind die unterschiedlichen körperlichen Aktivitäten bei Männern und Frauen.

 Bei den Männern sind besonders an den Arm- und Beinknochen und den Darmbeinkämmen extrem starke Muskelansatzmarken zu finden, die für eine besonders stark entwickelte und intensiv genutzte Muskulatur des Bewegungsapparates sprechen.

 Aus diesen und anderen Befunden ergibt sich folgende Hypothese:

 Die Männer vom Kazartepe haben Sport weitaus intensiver betrieben, als es im Rahmen der Erziehung der Jungmannschaft in Gymnasien, Palästren und Stadien üblich war. Sie sind zum Teil professionelle Athleten gewesen, die über einen längeren Zeitraum ein gezieltes, muskelaufbauendes Körpertraining betrieben haben.

Im Einzelnen wurden nachgewiesen: extrem starke Muskelansatzmarken bei bestimmten Langknochen (z.B. Humerus), Sehnenverknöcherungen, bestimmte Knochenproportionen (z.B. Index platymericus), eine Reihe spezifischer Skelettalterationen (z.B. degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule und den großen Körpergelenken), Blockwirbelbildungen, Frakturen am Tibiaschaft und intravitaler Verlust von Frontzähnen. Zahlreiche dieser Veränderungen lassen sich auf die Ausübung von Kampfsportarten wie Faustkampf und Pankration zurückführen.

 

 

 

Faustkämpfer. Detail eines römischen Sarkophagreliefs gefunden am Südtor von Milet.

 

 

 

 
   
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