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Prof. Dr. Helmut Brückner

Geoarchäologie

 

Ziel der geoarchäologischen Forschungen im Umfeld von Milet ist es, die Landschaftsentwicklung in den verschiedenen historischen und prähistorischen Epochen zu rekon­struieren. Dabei interessiert insbesondere die ständige Verlagerung der Küste aufgrund des sich nach Westen ausdehnenden Büyük Menderes-Deltas. Die Deltaebene ist als Akkumulationsraum das natürliche Archiv, dem die wesentlichen Informationen mittels Rammkernsondierungen entnommen werden. Entscheidende Gesichtspunkte bei der Auswertung der Bohrkerne sind die Rekonstruktion der paläogeographischen Situation und die Gewichtung der natürlichen Umweltveränderungen (z.B. durch Meeresspiegelschwankungen, Klimawandel) gegenüber der Humaninfluenz (z.B. durch Rodung, Bau von Dämmen und Kanälen).

Nach der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel von -125 m rasch auf sein heutiges Niveau, das er etwa 5.500 Jahre vor heute erreichte. Dadurch enstanden an der türkischen Ägäisküste weit landeinwärts greifende Meeresbuchten - so auch der Latmische Golf. Die Hauptursache für seine nachfolgende Verlandung ist der Vorbau des Büyük Menderes-Deltas. Vorwiegend bedingt durch den menschlichen Eingriff in den Naturhaushalt kam es im Flusseinzugsgebiet zu starker Erosion (vor allem in den Gebieten mit Mergeln und tiefgründig verwitterten Glimmerschiefern; vgl. Abb. 1). Dank der dadurch bedingten hohen Sedimentfracht schob der Mäander sein Delta immer weiter westwärts. Belege dafür sind der brackische Bafa Gölü als Restsee des Latmischen Golfs, die verlandeten Häfen von Priene, Myus und Milet sowie die frühere Insel Lade (Ort der Seeschlacht zwischen der persischen und der milesischen Flotte 494 v.Chr.!), die heute völlig in die Deltaebene integriert ist.

3. Stadtplan des griechisch-römischen Milet

Nach der Zerstörung durch die Perser 494 v. Chr. wurde die Stadt bald nach 479 v.Chr. auf der Milesischen Halbinsel in einem orthogonalen Raster wiederaufgebaut Das Straßensystem ist weitgehend ergänzt und nicht ergraben. Der Verlauf der archaischen Stadtmauer ist in den meisten Bereich ungeklärt. Dass die Perser nach Herodot Milet zu Land und zur See belagerten, lasst eine geschlossene Stadtmauer (schwarz) schloss den Kalabaktepe sicher ein. Wann er erstmals durch die südliche Quermauer; vom Befestigungssystem abgetrennt wurde, lässt sich der Zeit noch nicht sagen. Die Farbgebung der Gebäude gibt in der Regel den Beginn der Bebauung wieder (schwarz: archaisch; rot: klasisch; grün: hellenistisch; blau: römisch). Einige Bauten wurden auch noch in späteren Phasen der Stadtgeschichte genutzt und z.T. architektonisch neu gestaltet.

 
1. Verlandungsszenarien des Mäander-Deltas in historischer Zeit

Die Abbildung gibt ein ungefähres Bild von den Phasen des Deltawachstums. Die dargestellten Szenarien basieren allerdings sämtlich auf der Auswertung literarischer Quellen, nicht auf geoarchäologischer Evidenz. Etliche Widersprüche - etwa in der Umgebung von Priene und Milet - sind evident. In einem laufenden Forschungsprojekt wird eine Klärung mit geoarchäologischen Mitteln versucht. Im Stadtgebiet von Milet konnte die ehemalige Land/Meer-Verteilung rekonstruiert werden.

 

 

2. Die paläographische Stuation der milesischen Halbinsel

Im stadtgebiet von Milet konnte die ehemalige Land/Meer-Verteilung rekonstruiert werden. Die Abbildung zeigt die verschiedenen Bohrpunkte und einige exemplarische Bohrprofile. Folgende Stratigraphie ist typisch: Über dem anstehenden Festgestein (meist Kalke des Neogen) folgen marine, litorale, lagunäre und schließlich fluviale Sedimente. Gemäß diesem Befund existierten zum   Zeitpunkt  des   holozänen Meeresspiegelhochstandes (wahrscheinlich vor 5.500 Jahren) mehrere Inseln. So auch noch im Gebiet des späteren Athena-Tempels zum Zeit­punkt der ersten Besiedlung (2. Hälfte des 4. Jt.; frdl. Mittlg. von W.-D. Niemeier). Ob dieser Bereich zu Beginn der minoisch-mykenischen Epoche noch immer eine Insel war oder ein Tombolo (Nehrung) ihn bereits mit dem Festland verband, müssen weitere Studien zeigen. Jedenfalls wuchsen die Inseln durch Verlandung zunächst zur Milesischen Halbinsel zusammen, die dann ihrerseits durch das Vorrücken des Deltas allmählich vollständig in die Büyük-Menderes-Ebene integriert wurde.

     
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