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Dr. Reinhard Senff |
"Wandere mutig mit uns zur herrlichen Neleus-Stadt, wo sich der Tempel der Kypris erhebt, grün unter üppigem Schilf. Dorthin erbitten von Zeus wir günstigen Wind zur Fahrt." "Ihr indessen verlasset den lieblichen Quell der Hyetis wie auch der Byblis, verlasset Oikous, der blonden Dione ragenden Wohnsitz, Eroten." Theokrit XXVII, 3f. und VII 115f. Durch den Fund marmorner Bauteile konnte 1989 auf dem Zeytintepe (Olivenhügel) ein Heiligtum der Aphrodite lokalisiert werden, das noch der hellenistische Dichter Theokrit aus Alexandria kannte. Wie es Theokrit andeutet, liegt das Heiligtum hoch auf einem Bergausläufer an der antiken Küstenlinie (Abb. 1). Als Landmarke war es schon von weitem allen Schiffen sichtbar, die in den Latmischen Golf einliefen. Diese herausragende Lage wurde in spätarchaischer Zeit noch durch einen marmornen Großbau auf dem höchsten Punkt des Hügels hervorgehoben, von dem jedoch nur noch Spuren des Fundamentes (Abb. 2) und verstreute Reste der Architektur erhalten sind. Besonders aufschlussreich sind Schichten mit dem Abfall der Opferfeste, die man in der Antike die Hänge des Hügels hinab- oder in natürliche Vertiefungen geschüttet hat. Neben den Knochen der Tiere (Abb. 6; 7) und dem während der Feiern verwendeten Geschirr enthalten sie auch viele Schmuckstücke, Tonfiguren und Geräte, die als Weihgeschenke in den Besitz der Göttin übergegangen waren. Alle diese Reste geben heute wichtige Hinweise auf die Opferbräuche und die Vorstellungen und Anliegen der Weihenden. Die Votive illustrieren außerdem die weitgespannten kulturellen Beziehungen Milets. Vom festländischen Griechenland, vor allem den Keramikzentren Korinth, Sparta und Athen stammen viele bemalte Trinkgefäße; sogar aus dem fernen Etrurien gelangte das charakteristische schwarze Bucchero hierher. Zypern lieferte großformatige Tonfiguren, aus nordsyrischen Werkstätten kommen geschnitzte Tridacna-Muscheln. Sehr zahlreich sind Schmuckstücke, Amulette, Skarabäen und Miniaturfiguren aus Ägypten. Das Heiligtum erlitt das gleiche Schicksal wie die Stadt und wurde im ionischen Aufstand 494 v.Chr. völlig zerstört. Manche Reste der spätarchaischen Marmorarchitektur tragen noch deutliche Brandspuren. Weihinschriften und Votive bezeugen im Hellenismus zwar ein Wiederaufleben des Kultes, der sich bis in die römische Kaiserzeit fortsetzte aber in deutlich bescheidenerem Umfang als zuvor ausgeübt wurde.
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