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Frank Wascheck (M.A.)

Fikellura Amphoren

Die Formenvielfalt der sog. Fikellura Keramik ist durch jüngere Ausgrabungen in Milet deutlich bereichert worden. Dennoch muss die Amphore weiterhin als die Leitform der Keramikgattung angesprochen werden. Die überwiegende Mehrheit aller bislang eingebrachten Funde sind Amphoren oder deren Fragmente. Selbiges Bild ist unter Einbeziehung neueren Materials auch für Milet zutreffend.

Die Fikellura-Amphoren gehören zum Typus der Halsamphoren und sind ungeachtet marginaler Variationen durch ein spezifisches Profil gekennzeichnet. Charakteristisch ist ihnen ein echinoider Rand, ein echinoider Standring und zwei- oder dreigliedrige Henkel. Ein weiteres Merkmal ist der sich verjüngender Hals, der nahezu rechtwinklig auf die Schulterpartie des Gefäßes trifft, wobei ein plastischer Grat den Übergang vermittelt. Der Gefäßbauch ist in der Regel konisch gestaltet und auf ihm lastet eine flache Schulter. Die Höhe der Amphoren beträgt zwischen 25 und 35cm.

Das Profil der Fikellura-Amphoren kann als Innovation gelten, denn es findet in der ostgriechischen Keramik keine unmittelbaren Vorläufer. Allein die Form des Gefäßbauches ähnelt deutlich Tierfries-Kannen der Stilstufe MWG II. Eine direkte Adaption ist in diesem Fall nicht auszuschließen, weil bekanntlich auch die Fikellura Ornamentik Anleihen beim Tierfries vornimmt.

Eine merkliche Entwicklung der Form hat es während der Laufzeit der Amphoren augenscheinlich nicht gegeben. Zwar zeigen einige, vermutlich ältere Stücke von der Schulter bis zum Körper eine mehr gerundete, schwellende Form. Diese Abweichung darf aber als geringfügige Modifikation eines festgeschriebenen Typus verstanden werden.

Die Ton- und Brennqualität sowie die Qualität des getöpferten Gefäßes schwanken stark. Viele Amphoren zeigen Dellen und eine beachtliche Asymmetrie ihrer Wandungsstärken. Beide Phänomene zeugen von der Flüchtigkeit und vermutlich auch von der Schnelligkeit, mit der manche Vasen in den Werkstätten produziert worden sind. In Abhängigkeit von der Brenntemperatur variieren Farbe und Festigkeit des verwendeten Tons. Manche Gefäße zeigen eine pudrig weiche, andere eine sehr harte Tonkonsistenz. Die Farbe des Tons wechselt von hellem Rot zu hellem Braun. Ebenso wie der Ton schwankt auch die Engobe in ihrer Dichte. Gut gebrannte Gefäße verfügen über einen dicken, festen Überzug, dessen Farbe dem des Elfenbeins nahesteht. Bei anderen Gefäßen ist die Engobe dünn aufgetragen und mangelhaft gebrannt, so dass der Überzug häufig gemeinsam mit der Malfarbe in großen Stücken abplatzt. Von der schwankenden Qualität des Brenn- und Malvorgangs ist auch das Erscheinungsbild der Malfarbe betroffen. Auf einigen Vasen sind unregelmäßig alle Farben von tief schwarz über diversen Braunschattierungen bis zu leuchtend rot vertreten. Qualitative Stücke hingegen variieren bewusst die Dicke des Farbauftrags und nutzen den Effekt wechselnder Farben als künstlerisches Instrument.

Tonanalysen haben Milet als zentrale Produktionsstätte der Fikellura Keramik erwiesen. Von dort aus ist vorrangig das Gebiet des östlichen Mittelmeers und die Pontus-Region beliefert worden. Es erstaunt nicht, dass an allen Fundplätzen auch Amphoren vertreten sind. Die unterschiedlichen Fundkontexte zeigen, dass Fikellura Amphoren in zentralen Lebensbereichen Verwendung gefunden haben. Ihr Gebrauch ist in Heiligtümern, Nekropolen und Siedlungen nachgewiesen. Eine systematische Analyse der Fundkontexte steht jedoch noch aus. Das gilt auch für die Funktion der Amphore und damit für ihre Bedeutung in den genannten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.

Die ikonographische und stilistische Entwicklung der Fikellura Malerei ist am Beispiel der Amphoren besonders gut zu verfolgen. Anhaltspunkte für eine absolute Datierung einzelner Gefäße sind hingegen nur beschränkt verfügbar. Nach wie vor gelten die Nekropolengrabungen auf Rhodos trotz ihrer vielfach mangelhaften Grabungsdokumentation und Auswertung als bedeutendste Grundlage für eine absolute Datierung der Fikellura Amphoren. Eine erhebliche Anzahl von Vasen ist dort gemeinsam mit attischer Keramik aus der zweiten Hälfte des 6.Jh.v. aufgefunden worden.

Am Anfang der stilistischen Entwicklung stehen Amphoren, die eine strenge Frieskomposition zeigen und deren Schultern als Hauptbildflächen mit einem prominenten Fries dekoriert sind. Obgleich neue ikonographische Elemente zum Einsatz kommen - wie z.B. das Motiv der Sichel oder als wichtigste Innovation die Figuren, die mittels einer Imitation der schwarzfigurigen Maltechnik dargestellt werden - zeigen besagte Amphoren im Aufbau ihres Bildfeldes eine spürbare Nähe zu Kannen des milesischen Tierfriesstils. Das Ende der Entwicklung markieren Amphoren, die eine Auflösung des Friessystems vorführen und deren Bildkomposition vorrangig die Bauchzone des Gefäßes nutzt. Radikal umgesetzt ist dieser Entwurf bei jenen Vasen, die auf dem Gefäßbauch entweder eine einzelne, isolierte Figur oder eine zierliche Netzstruktur platzieren. Eine solche Großzügigkeit der Raumbehandlung ist abgesehen von den gleichzeitigen Fikellura Amphoriskoi im späten 6.Jh.v. singulär.

Gewöhnlich wird dem dargestellten Entwicklungsprozeß ein Zeitraum zugewiesen, der etwa 50 oder 60 Jahre überspannt. Das geschieht abhängig davon, ob der Beginn der Fikellura Malerei in das Jahrzehnt 560 v. Chr. oder 550 v. Chr. gesetzt wird. Verhältnismäßig sicher erscheint es, dass die Tradition der milesischen Malerei mit der Zerstörung der Stadt 494 v. Chr. durch die Perser abrupt zu Ende ging.

Die innerhalb des benannten Zeitraums produzierten Amphoren sind vermutlich nur wenigen Werkstätten bzw. Malern zuzuordnen. Ein Teil ist bereits auf zwei namentlich fixierte Hände verteilt worden, die sukzessive einen wesentlichen Beitrag zur Produktion qualitätvoller Amphoren geleistet haben sollen. Gemeint sind hier der ‚Altenburg‘ Maler und der Maler des ‚laufenden Satyrs‘.

Exportierte Fikellura Amphoren belegen einen Bedarf an dieser Keramik jenseits von Milet. In Verbindung damit steht vermutlich auch das Auftreten von Imitationen oder von freieren Adoptionen des Fikellura Stils. Während die Existenz getreuer Nachahmungen bislang nur unzureichend erforscht ist, beweisen einige Amphoren karischer Provenienz, dass Form und Stil dieser Fikellura Vasen offenbar als Vorbild fremder Keramikproduktion gedient haben. Es ist an dieser Stelle bemerkenswert, daß die karischen Beispiele getreuer die Form als den Malstil ihrer Vorlagen adaptieren. Mit Ausnahme der Henkelgestaltung ist das Profil der karischen Amphoren kaum von genuin milesischen Produkten zu unterscheiden.

Seit dem die archaische Stadt im Zentrum der wissenschaftlichen Erforschung Milets steht, haben die unternommenen Grabungen am Kalabak- und Zeytintepe eine überwältigende Fülle archaischer Keramik zu Tage gefördert. Im Zuge dessen wurde auch das Repertoire an Fikellura Amphoren enorm bereichert. Waren zuvor nur einige verstreute Fragmente aus dem Athena Heiligtum und aus diversen Siedlungskontexten bekannt, erbrachte insbesondere die Untersuchung des Kalabaktepe eine große Menge an fragmentierten Amphoren. Die überwiegende Mehrheit der dort ausgegrabenen Funde stammt aus einer massiven Keramikschutt-Packung, die insgesamt deutlich über 1.000 Amphoren-Fragmente in sich barg. Bedauerlicherweise sind diese Funde nicht in die Stratigraphie der Siedlung am Kalabaktepe einzubinden. Von erheblicher Bedeutung ist aber, dass ein umfangreicher Teil der Fragmente nahezu vollständige Amphoren ergeben. Diese und andere Beobachtungen nähren die Hoffnung, daß die neuen Funde aus Milet die Fikellura Forschung substantiell bereichern werden. Das betrifft vor allem eine Modifikation bzw. Differenzierung der Werkstattzusammenhänge, eine Konkretisierung der Laufzeiten einzelner Dekorationsschemata und neue Vorschläge zur absoluten Datierung der Keramik. Überdies eröffnet das milesische Material die Chance, konkrete Aussagen über die primäre Nutzung der Fikellura Amphoren zu treffen. An der Innenseite diverser qualitätvoller Fragmente haftet eine rötliche Substanz, deren Analyse noch aussteht.

 

 

 

 

 

Harvard 1959.126

 
 
 

Milet - Kalabaktepe

 
 

Milet - Kalabaktepe

 
 
 

Milet - Kalabaktepe

 
 
 

Milet - Kalabaktepe

 
 
 

Milet - Kalabaktepe

 

Archaeological Museum of Rhodes

       
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