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21 | 01 | 2014 | LOTHAR MÜLLER (Berlin)

Die Pluttat von Serajevo. Zur Medienphilologie des Extrablatts.



Der Vortrag will eine Brücke schlagen zwischen der mediengeschichtlichen und philologischen Erschließung des Extrablatts als einem Format herausgehobener Aktualität, wie sie in den angelsächsischen Ländern mit dem Begriff „Breaking News“ bezeichnet wird. Die mediengeschichtliche Herleitung der Form nimmt die Temporalisierung des ursprünglichen Supplementcharakters in den Zeitungen des frühen 19. Jahrhunderts in den Blick. Schon in der napoleonischen Ära waren das Extrablatt und die beschleunigte Zirkulation von Kriegsnachrichten eng gekoppelt. Zu überprüfen ist die Hypothese, dass Extrablätter vor allem in städtischen Räumen zirkulierten. Als Fluchtpunkt der mediengeschichtlichen Einordnung kann der Vergleich von Kriegsbeginn 1914 und 1939 dienen: Der Zweite Weltkrieg beginnt im Volksempfänger. Die Sondermeldung im Radio ist der Erbe des Extrablatts, aber es gibt Phänomene der Koexistenz. Die philologische Erschließung des Extrablattes, so die These dieses Vortrags, hat zum einen die medien- und technikgeschichtlichen Kontexte des Formats zu integrieren und zugleich die linguistisch-rhetorische Physiognomik der Textsorte Extrablatt in die Räume seiner Zirkulation einzubetten. Eine Beschränkung auf die reine Textlektüre würde die eminent wichtige akustische Dimension des Formats, seine Koppelung mit den Stimmen der Austräger unterschlagen. Zu diesem Zweck werden in dem Vortrag einige literarische Quellen zur Extrablatt-Zirkulation ausgewertet, darunter der Beginn von Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit“.


CV
Lothar Müller wurde 1985 mit einer Arbeit über Karl Philipp Moritz und den psychologischen Roman promoviert. Er arbeitete danach freiberuflich für Radiostationen, vor allem den NDR in Hannover, und Printmedien und lehrte an der Freien Universität Berlin. Von 1997 bis 2001 war er Redakteur im Feuilleton der FAZ, seit 2001 ist er Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in Berlin und seit 2010 Honorarprofessor für Neuere Deutsche Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin.


Publikationen (Auswahl)
Weiße Magie. Die Epoche des Papiers, München: Hanser 2012.
Herman Bang. Ein Leben in Bildern, Berlin u.a.: Deutscher Kunstverlag 2011.

 

 

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Ein Projekt der Professur Medienwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Theorie, Geschichte und Ästhetik bilddokumentarischer Formen an der Ruhr-Universität Bochum
| Prof. Dr. Friedrich Balke und Dr. Rupert Gaderer
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