GESCHICHTE

Um die Gründung der Stadt Kirow ranken sich viele Legenden; selbst der ursprüngliche Name - Wjatka oder Chlynow - ist strittig. Geht der Ort zurück auf die Siedlungsstätte des udmurtischen Stammes der Watka? Oder ist der Name Wjatka slavischen Ursprungs?


Eine der alten Kirchen in Lalsk

Zum ersten Mal wird Wjatka in den Chroniken unter der Jahreszahl 1374 genannt. Damals zogen Nowgoroder Freibeuter gegen die Wolgabulgaren, die zu jener Zeit zum Reich der Goldenen Horde gehörten. Nach ersten Erfolgen teilte sich die Gruppe; ein Teil zog nach Norden und raubte, so die Chronik, Wjatka aus. Bis heute ist strittig, ob der Chronist mit "Wjatka" tatsächlich eine Ansiedlung oder aber ein bestimmtes Territorium gemeint hat.

Ursprünglich war das Gebiet an der Wjatka Siedlungsgebiet udmurtischer Stämme. Gegen Ende des 12., zu Beginn des 13. Jh. begannen dort auch Slawen zu siedeln. Das Gebiet wurde nach und nach vor allem von Nowgorod aus kolonisiert. Anders als Nowgorod selbst spielte Wjatka im Kampf der russischen Fürsten um mehr Territorium und Einfluß eine eher marginale Rolle. Es lag zu weit abseits und war wegen der umliegenden dichten Wälder und Sümpfe nur schlecht zugängig. Mal gehörte das Territorium zum Susdaler Fürstentum, mal zu Moskau, dann wieder den galizischen Fürsten. Wjatka konnte dabei lange Zeit seine politische und administrative Autonomie bewahren; ähnlich wie in Nowgorod gab es eine Volksversammlung (vetsche).

1391 wurde das Gebiet Wjatka von den Mongolen verwüstet. Auch später suchten um Kasan und in Sibirien lebende Tataren das Land immer wieder heim, unterstützt von den in der Nachbarschaft der Russen siedelnden Mari und Udmurten.

Die Geschichte Wjatkas als Region politischer Verbannung begann unter Boris Godunow. Er ließ ihm lästige Anhänger und Verwandte der späteren Zarendynastie der Romanows nach Wjatka bringen. Viele Menschen ereilte im Laufe der Jahrhunderte ein ähnliches Schicksal; die bekanntesten unter den Verbannten waren die Schriftsteller: A. Herzen, M. Saltykow-Schtschedrin, W. Korolenko. Um die Wende vom 19. zum 20. Jh. wurde das Gebiet zum Ziel der (Zwangs-) Umsiedlung für Menschen aus dem Westen des Zarenimperiums (Litauer, Letten, Esten, Weißrussen und Polen).

Das Gebiet Wjatka gilt bis heute als Landwirtschaftsregion; es ist vor allem für seine Viehzucht und Milchprodukte berühmt. Früher wurden neben Ackerbau und Viehzucht vor allem Imkerei, Jagd und Fischfang betrieben. Ende des 17., Anfang des 18. Jh. entstanden erste kleinere Metallurgieunternehmen. Wirtschaftlich dominierte allerdings das Kleingewerbe zur regionalen Selbstversorgung. Berühmt war die Region für ihre Handwerker; vor allem die Zimmerleute genossen weithin Anerkennung.

Während des 2. Weltkrieges gehörten das Gebiet und die Stadt, 1934 in Kirow umbenannt, zum sowjetischen Hinterland. In kurzer Zeit entstand eine Reihe großer Rüstungsbetriebe.

Heute hat die Region u.a. mit mangelnder verkehrstechnischer Erschließung zu kämpfen: 1985 gab es auf 1000 Quadratkilometer Fläche ganze 12,6 km Asphaltstraße. Das hat vor allem demographische Konsequenzen. Die Landbevölkerung verringerte sich von 1970 bis 1985 von 784.000 auf 524.000 Menschen.

Marion Krause