BAC 41
Zwischen Polemik und Panegyrik.
Frauen des Kaiserhauses und Herrscherinnen des Ostens in den Res gestae des
Ammianus Marcellinus
Anja Wieber-Scariot
Herrscherinnen werden in den antiken Quellen oft sehr
stereotypisiert dargestellt. Ein Beispiel bilden die Res gestae des Ammianus
Marcellinus, dessen Porträts der Kaiserschwester Constantina und der Kaiserin Eusebia den
Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. Die Auswertung der Quelle erfolgt aus
philologisch-quellenkritischer Perspektive unter Einbeziehung jüngster Ergebnisse der
Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Hofsoziologie. Das stereotype Bild der guten
und hilfreichen wie der bösen und machtgierigen Kaiserin läßt sich aus ihrer Position
am Hof erklären: Das panegyrische Idealbild der Kaiserin greift auf dynastische
Propaganda zurück und betont ihre Aufgabe als Erhalterin der Dynastie und symbolischer
Mutter des Volkes. Das Zerrbild entsteht vor allem, wenn Zeitgenossen sich oder andere von
der Unterstützung durch die Kaiserin als eine wichtige Vermittlerin im Zentrum der Macht
ausgeschlossen sehen und daher zu Polemik greifen. Ein Vergleich mit der
Darstellungstypologie einer anderen wichtigen Hofgruppe, der Eunuchen, erhärtet diesen
Befund. Der Umstand aber, daß spätantike Herrschaftskonzeptionen einen Zusammenhang
zwischen Männlichkeit, Selbstbeherrschtheit, Reife und Herrschaftsbefähigung herstellen,
erklärt, warum das Kaisertum vor dem Hintergrund einer als nicht-männlich wahrgenommenen
Herrschaft (Kinderkaiser, Frauen als Regentinnen und Eunuchen als Erzieher und Berater)
einem Autor wie Ammian Anlaß zur Kritik bot: Als ehemaliger Soldat neigte er auf der
normativen Ebene zur strikten Betonung der Männlichkeit.
Die Untersuchung richtet sich an ein altphilologisches,
althistorisches, soziologisches und theologisches Lesepublikum.
ISBN 3-88476-346-6, 466 S., 19 Abb., kt., Euro 36,- 1999