BAC 35
Lexikalische Raritäten im Homer.
Ihre Bedeutung für den Prozeß der Literarisierung des griechischen Epos
Doris Keil
Die Verfasserin hat die lexikalischen Raritäten im Homer
(Hapax und Dis legomena) als ein Spezifikum des homerischen Vokabulars zum Gegenstand
ihrer Untersuchungen gemacht. Es geht dabei nicht um eine weitere Aufschlüsselung des
Wortmaterials unter statistisch-klassifizierenden Aspekten, sondern vielmehr um den
Versuch, diese Wörter im Hinblick auf ihre poetische Qualität und potentielle
"literarische" Funktion für Einsichten in den Prozeß der Epengenese zu nutzen.
Nach einer Erläuterung der methodologischen Probleme, die
sich zwangsläufig aus der Übergangssituation zwischen rein oraler und zumindest partiell
schon schriftlicher Dichtung ergeben, werden in einem ersten Schritt die typischen
Verwendungsweisen lexikalischer Singularitäten und die in ihnen greifbare Reife
mündlicher Dichtungstechnik in bezug auf kontextgerechte Wortwahl und Wortkombination an
Textbeispielen der Ilias demonstriert. Das Kernstück der vorgetragenen These bilden die
Interpretationen einer Reihe von Dis-legomena-Stellen, deren dichterische Realisierung
einem literarischen Zitat bereits so nahe kommt, daß eine rein mündliche Entstehung
nicht mehr glaubhaft erscheint. Der Versuch, die Verwendung von Schrift bei der Entstehung
des Homertextes konkret nachzuweisen, führt hier zu besonders aufschlußreichen
Resultaten.
Um die 'Semioralität' der noch vom Übergang zur
Literarisierung geprägten homerischen Zitierweise deutlicher herauszuarbeiten, wird sie
am Ende mit der literarisch hoch entwickelten Zitiertechnik des hellenistischen Epikers
Apollonios Rhodios konfrontiert.
ISBN 3-88476-306-7, 245 S., kt., Euro
24,- 1998