Erstellung einer vollständigen Karte der Gasverteilung in der MilchstraßeKooperationspartner:
Dr. Peter Englmaier, Institut für Theoretische Physik, Universität
Zürich, Schweiz
Dr. Martin Pohl, Department of Physics and Astronomy, Iowa State
University, USA
Dr. Nicolai Bissantz, Fakultät für Mathematik,
Ruhr-Universität Bochum Problem aus der PraxisDie Milchstraße ist eine typische Spiralgalaxie und die am genauesten
untersuchte Galaxie des Universums. Aufgrund der Position des
Sonnensystems im Milchstraßensystem sind viele Detailuntersuchungen
nur
in der Milchstraße möglich, während andere Galaxien für ausreichend
genaue Beobachtungen zu weit entfernt sind. Es ist bekannt, daß sich
die
Sterne in der Milchstraße im Wesentlichen in einer Scheibe anordnen.
Diese weist im zentralen Bereich eine balkenartige Verdickung auf, an
die sich im äußeren Bereich „Spiralarme“ anschließen. Die Anhäufung
vor
allem junger, heller Sterne entlang der „Spiralarme“ führt zum
charakteristischen Aussehen von Spiralgalaxien ähnlich der
Milchstraße.
Untersuchungen der Milchstraße haben eine besondere Bedeutung für die
Interpretation von Beobachtungen ferner, der Milchstraße ähnlicher
Galaxien. Andererseits stellt die Position des Sonnensystems nahe der
Mittelebene der Scheibe Astronomen auch vor besondere Probleme bei
ihrer
Untersuchung: Bestimmungen des Verlaufs der Spiralarme waren bisher
immer unvollständig, insbesondere im Zentrum und jenseits davon, da
in
dieser Richtung direkte Beobachtungen im optischen Bereich durch
Absorption des Lichts in der zentralen Milchstraße vereitelt werden.
Mit
einer neuen Methode ist es jetzt gelungen, diese Lücken in der Karte
der
Milchstraße zu schließen. Mathematischer BeitragDie neue Karte der Spiralarmstruktur basiert auf Modellen der
Massenverteilung und – daraus abgeleitet - der Gasdynamik in der
Milchstraße. Um die Massenverteilung der Milchstraße zu bestimmen
wurden
Satellitenbeobachtungen der Milchstraße im nahen Infrarot
ausgewertet.
Diese geben aber aus naheliegenden Gründen nur eine zweidimensionale
Projektion der Infrarotlichtverteilung in der Milchstraße an die
Himmelskugel wieder. Daher sind zusätzliche Informationen wie
Symmetrieeigenschaften der Massenverteilung in der Milchstraße und
weitere Beobachtungen erforderlich, um daraus ein
dreidimensionales
Modell zu berechnen. Mathematisch kommen dazu Verfahren zur Lösung
inverser Probleme zum Einsatz. Solche Probleme sind insbesondere
dadurch
charakterisiert, daß man anstrebt eine Größe (hier die
dreidimensionale
Struktur der Milchstraße) zu ermitteln, die man nicht direkt
beobachten
kann. Stattdessen wird sie mathematisch aus einer anderen, der
Beobachtung zugänglichen Größe geschätzt, die über einen
Abbildungsoperator mit der interessierenden Größe verknüpft ist.
Ist die Massenverteilung der Milchstraße bekannt, so kann mit Hilfe
von
Simulationen die Dynamik (d.h. die Bewegung des Gases) in dem daraus
hervorgerufenen Gravitationspotential untersucht werden. Mit Hilfe
eines
solchen Modells der Gasbewegung kann nun – erneut durch Auswertung
indirekter Beobachtungen - Form und Aufbau der Spiralarme ermittelt
werden. Dazu benutzt man, daß das Gas in der ganzen Milchstraße mit
Hilfe von Radioteleskopen beobachtet werden kann. Aus diesen
Beobachtungen kann aufgrund der Doppler-Verschiebung des Lichts die
Geschwindigkeit bestimmt werden, mit denen sich das Gas relativ zum
Sonnensystem bewegt. Zum beobachteten Radiosignal in einer bestimmten
Himmelsrichtung tragen Gaswolken aus den unterschiedlichsten
Entfernungen von der Sonne bei. Mathematische
Regularisierungsverfahren
– ähnlich der Lösung des inversen Problems, das zur Bestimmung der
Massenverteilung gelöst wurde – erlauben es nun, aus der Verteilung
der
Relativgeschwindigkeiten des Gases in den beobachteten
Himmelsrichtungen
auf die Verteilung der Gaswolken entlang all dieser Sichtlinien zu
schließen. Trägt man die Ergebnisse dieser Rechnung in eine Karte der
Milchstraße ein so erhält man eine Karte der Spiralarme.
Ergebnisse
Die Abbildung zeigt die Karte der Spiralarme in der Milchstraße, die
mit Hilfe des beschriebenen Verfahrens gewonnen wurde. Man kann zwei Spiralarme erkennen, die sich kurz innerhalb der Position des Sonnensystems in vier Arme aufspalten. Diese setzen sich dann bis zum
Rand der Scheibe fort. Die Karte zeigt erstmals die Spiralstruktur in
der ganzen Milchstraße.
Die Position des
Sonnensystems wird durch den gelb-schwarzen Punkt oberhalb des
Zentrums
angedeutet.
LiteraturM. Pohl, P. Englmaier, N. Bissantz: 3D-Distribution of Molecular Gas
in the Barred Milky Way, Astrophysical Journal, 677, Issue 1,
283-291 (2008)
P. Englmaier, M. Pohl, N. Bissantz: The Milky Way Spiral Arm Pattern.
In: «Tumbling, Twisting, and Winding Galaxies: Pattern Speeds along
the
Hubble Sequence», E. M. Corsini and V. P. Debattista (eds.), Memorie
della Società Astronomica Italiana, im Druck. Berichterstattung in den Medien (Auswahl)Pressemitteilung der RUB:
http://www.pm.ruhr-uni-bochum.de/pm2009/msg00004.htm
Höhere Kollisionsgefahr für die Milchstrasse, Spiegel Online, 6.
Januar 2009
Eine vollständigere Karte der Milchstrasse, NZZ Online, 6. Januar
2009-03-31
Weitere Informationen siehe
http://www.ruhr-uni-bochum.de/mathematik3/lehrstuhl/milchstrasse.html
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