Frühes Eisen im rechtsrheinischen Schiefergebirge: Siegerland

Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Stöllner & Dr. Jennifer Garner & Stephanie Menic M.A.

thomas.stoellner@rub.de
jennifer.garner@bergbaumuseum.de
Stephanie.Menic@ruhr-uni-bochum.de

Das Siegerland zählt zu den bedeutenden Montanlandschaften Deutschlands, welche die Eisenversorgung während der jüngeren Industrialisierung sicherstellte. Weitaus weniger bekannt ist die prähistorische Bedeutung des Siegerlandes: Die Region scheint in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. einer der großen Eisenlieferanten des deutschen Mittelgebirgsraumes gewesen zu sein. Basis dieser Montanlandschaft ist das weltweit größte Sideritvorkommen (Spateisenstein) im Siegerland-Wied-Distrikt. Die manganreichen Verwitterungsprodukte des Siderits stehen großflächig oberflächennah an den Kuppen und ihren Randzonen der gebirgigen Region an.

Abb. 01: Hauberg bei Salchendorf.


Hohe technische Spezialisierung der regionalen Eisenwirtschaft

Die Siegerländer Eisenwirtschaft begann vermutlich ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. Es zeichnet sich ab, dass die Region besonders ab dem 4. und besonders seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. verstärkt aufgesucht wurde. Die ältere Forschung interpretierte diese Entwicklung als ein Landesausbau in das Bergland hinein, welcher aber nicht ganz nachvollziehbar war. Denn das Siegerland ist doch im Gegensatz zu den umgebenden Gunstlagen, wie beispielsweise die Westhessische Senke oder das Mittelrheintal, kein geeigneter Standort für Ackerbau. Ungewiss ist, wie und wann sich die regionale Eisenwirtschaft mit ihrer hohen technischen Spezialisierung herausbildete. Der gesamte Wirtschaftskreislauf der Siegerländer Eisenwirtschaft ist unerforscht: Verlagerten sich die Produktionsgebiete im Laufe der Zeit? Wurde saisonal produziert oder fand eine dauerhafte Aufsiedlung stand? Welchen Strategien folgte die einheimische Landwirtschaft und wurde der Wald systematisch genutzt? Welche überregionale Bedeutung hatte die Stahlproduktion?

Abb. 02: Blick auf die Grabung Gerhardsseifen.


Rekonstruktion der eisenzeitlichen Montanlandschaft

Nach ersten Grabungen G. Weisgerbers vor 30 Jahren erforschen wir seit 2002 gemeinsam mit der LWL-Archäologie (Außenstelle Olpe) die frühe Siegerländer Montanlandschaft. Die Arbeiten mündeten in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt, das seit 2009 auch mit dem Archäologischen Institut der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wird.
Wir suchen altbekannte Montan-Fundplätze systematisch auf und haben darüber hinaus Hunderte weitere Plätze aller Zeitstellungen neu entdeckt. Weitergehende Untersuchungen erfolgten durch kombinierte Prospektionsmethoden wie geophysikalische Messungen, Bohrstockprospektion und Sondagegrabungen. Ziel ist es, die eisenzeitliche Montanlandschaft zu rekonstruieren und die Produktionskette vom Erzabbau über die Verhüttung bis zur Endfertigung sowie Ausfuhr der Stahlprodukte nachzuvollziehen.
Archäometallurgische Prospektionen erforschen die verschiedenen Lagerstätten im Arbeitsgebiet. Gemeinsam mit Analysen zur Schlacken- sowie der Elementzusammensetzung von Artefakten zeichnen sie den Weg des Erzes von der Lagerstätte bis zum Endprodukt nach.

Siegerlandgeomagnetik
Abb. 03: Geomagnetische Prospektion im Siegerland.


Großflächige Ausgrabungen

Großflächige Ausgrabungen fanden auf dem Verhüttungsplatz an der Quelle des Trüllesseifen (Siegen-Oberschelden) und seit 2009 am Verhüttungsplatz Gerhardsseifen (Siegen-Niederschelden) statt. Darüber hinaus führten wir zahlreiche kleinere Sondagen im gesamten Arbeitsgebiet durch, um Verhüttungs-, Schmiede- und Siedlungsplätze näher zu charakterisieren. Beispielsweise wollen wir Aspekte zum Umfang und zur Effizienz der eisenzeitlichen Verhüttung klären und bislang ungelöste Fragen zur Gestalt und dem Aufbau der regionalen Rennöfen beantworten.

Abb. 04: Grabung Gerhardsseifen, vorne Mittelalterlicher Ofen, hinten latènezeitlicher Ofen.

Abb. 05: Grabung Gerhardsseifen, Arbeitsfoto.


Pollen- und Holzkohleanalysen

Durch die Kooperation mit dem Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln und der Abteilung Vor- und Frühgeschichte der Johann Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt werden durch Pollen- und Holzkohleanalysen Anhaltspunkte zur Umformung des Reliefs infolge der Entwaldung oder zur Auswahl der verhütteten Hölzer gesammelt. Dieser interdisziplinäre Forschungsansatz, der neben dem Kulturraum auch den Naturraum fokussiert, lässt aufregende neue Erkenntnisse zu dieser bedeutenden frühen Montanlandschaft Mitteleuropas erwarten.