Luftbildarchäologie in Xanten – Vetera castra

Ansprechpartner: Dr. Baoquan Song & Dr. Norbert Hanel

Baoquan.Song@ruhr-uni-bochum.de
Norbert.Hanel@uni-koeln.de

Seit 2003 befliegt Dr. B. Song den Xantener Raum, wobei das römische Militärlager Vetera castra den Schwerpunkt der Flugprospektion darstellt. In Zusammenarbeit mit der Außenstelle LVR-Xanten (Dr. J. Obladen-Kauder) wurden von 2009 bis 2010 und von 2012 bis 2013 zwei Forschungsprojekte, gefördert durch das Forschungsprogramm des Ministeriums für NRW, von N. Hanel und B. Song durchgeführt.

Neue Luftaufnahmen der Legionslager

Die Auswertung der Luftaufnahmen stand im Mittelpunkt des Projektes von 2009 bis 2010. Im Zuge systematischer Befliegungen seit 2003 konnten wichtige Neuentdeckungen im Gebiet der römischen Militärlager dokumentiert werden. Diese Neuaufnahmen ergänzen unsere Kenntnisse der frühkaiserzeitlichen Legionslager und ihrer canabae erheblich, die vor allem durch die langjährigen Großgrabungen im 1. Drittel des 20. Jahrhunderts, teils durch ältere Befliegungen in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhundert durch I. Scollar und W. Sölter u. a. gewonnen wurden. Die Auswertung der Kleinfunde erfolgte durch die 1987 eingereichte und 1995 veröffentlichte Dissertation von Prof. Dr. N: Hanel.

Aufeinanderfolgende Militärlager

Seit der augustischen Zeit wurden auf einer bis zu 71 m ü. NN ansteigenden Stauchmoräne mindestens fünf zeitlich auf einander folgende Militärlager errichtet. Sie unterscheiden sich in Form, Ausrichtung und Größe. Während von den frühesten Lagern meistens nur Abschnitte der Umwehrungen bekannt sind, wurde bei den Altgrabungen auch ein Teil der Innenbauten des jüngsten, ungefähr 58 ha großen Lagers freigelegt. Diese Anlage wurde bei den Ereignissen des so genannten Bataveraufstands in den Jahren 69/70 n. Chr. belagert und zerstört; ihren Untergang hat Tacitus in seinen Historien im Detail beschrieben. Mit Ausnahme des Amphitheaters sind heute keine Spuren des historisch bedeutsamen Fundplatzes an der niedergermanischen Flussgrenze sichtbar.

Ideale bedingungen für die Luftprospektion

Wegen der Größe des Fundortes sind zerstörungsfreie Prospektionsmethoden der geeignetste Weg, einen Überblick über die bislang nicht durch Ausgrabungen erfassten Lagerareale zu gewinnen. Hinzu kommt, dass große Flächen des Fürstenbergs nicht durch moderne Bebauung gestört oder von dichten Wäldern bewachsen sind. Somit liegen ideale Bedingungen für die Luftprospektion vor.

Das Nordtor des neronischen Lagers

Durch die systematischen Befliegungen zwischen den Jahren 2003–2010 gelang es erstmals, den Grundriss des Nordtores des neronischen Zweilegionenlagers zu dokumentieren. Im Vergleich zu den Altgrabungen, bei denen lediglich die zum Tor einziehenden Wehrgräben mit schmalen Suchgräben erfasst wurden, zeigen die neuen Luftbilder zusätzlich die großen Pfostenstellungen der Toranlage (Abb. 01). Das Tor selbst hatte zwei Durchfahrten. Damit entspricht das Nordtor weitgehend der bereits ausgegrabenen porta praetoria und der porta principalis sinistra desselben Lagers.
Die Toranlage des neronischen Lagers
Abb. 01: Die Toranlage des neronischen Lagers.


Die Areale östlich der Ostumwehrung

Für die Areale östlich der Ostumwehrung, d. h. außerhalb des neronischen Zweilegionenlagers, erweisen sich zwei Bereiche als sehr aufschlussreich:
1.) Unmittelbar südlich an der aus der porta principalis sinistra nach Osten führenden Straße zeichnen sich im Luftbild mehrere parallel zu einander liegende Gebäude ab, bei denen es sich vielleicht um (Streifen-?)Häuser handelt (Abb. 02). Anhaltspunkte für die Ausdehnung der zugehörigen Grundstücke an ihrer Rückseite gibt es bislang nicht.
(Streifen-?)Häuser entlang der nach Osten führenden Straße
Abb. 02: (Streifen-?)Häuser entlang der nach Osten führenden Straße.


2.) Großräumige Bebauungsspuren konnten einige hundert Meter weiter nördlich entdeckt werden. Diese Flächen waren bei den Altgrabungen nicht untersucht worden. In den Luftbildern sind deutlich die Spuren der östlichen Lagerbefestigung zu erkennen, vor der sich ein unbebautes Glacis befindet (Abb. 03). Östlich des Glacis beginnt die großflächige römische Bebauung, die sich nach Osten bis zum Prallhang des Altrheins erstreckt. Diese Bebauung wird durch vermutlich rechtwinkelig angelegte Straßen gegliedert, in deren Mitte wahrscheinlich ein Straßengraben verläuft. Während sich in den meisten Arealen eine dichte Besiedlung ohne eindeutige Gebäudegrundrisse abzeichnet, sind südlich des baumbestandenen Grenzweges zwischen Xanten und Birten Bodenspuren von großen Gebäuden sichtbar. Der westliche Bau, der eine Nord-Süd-Orientierung aufweist, besteht wahrscheinlich aus drei Säulenreihen. Im rechten Winkel schließt sich nach Osten ein Ost-West orientiertes Gebäude an, das an den Längsseiten von zweifachen Kammerreihen flankiert wird. Bei dem Bereich in der Mitte handelt es sich vermutlich um einen Innenhof.
Beim derzeitigen Forschungsstand lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die Straßen, Großbauten und sonstige Befunde zu den canabae des neronischen Zweilegionenlagers, älteren Lagern oder deren Lagersiedlungen zuzuordnen sind. Jüngst erstellte Luftaufnahmen (ABB. 4) machen deutlich, dass sich die Nord-Süd-Straße dieses Bereichs und vermutlich auch die zugehörige Bebauung nördlich des Grenzweges zwischen Xanten und Birten fortsetzen. Demzufolge reichen diese Spuren weiter nach Norden als die Nordumwehrung des neronischen Lagers. Im Lagerinnern des gesamten neronischen Zweilegionenlagers sind weitere Bodenspuren und neue Gebäudegrundrisse bekannt geworden.
Spuren der östlichen Lagerbefestigung
Abb. 03: Spuren der östlichen Lagerbefestigung.


Neue Erkenntnisse seit 2012

Von 2012 bis 2013 wurde das Projekt der Auswertung der Luftaufnahmen der römischen Militärlager und der zugehörigen Lagersiedlungen auf dem Fürstenberg bei Xanten (Vetera castra) fortgesetzt. Neue Erkenntnisse betreffen den Aufbau der Umwehrung und die Innengliederung des ungefähr 56 – 57 ha großen, neronischen Zweilegionenlagers, das im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. durch aufständische Germanen unter Führung des Bataverfürsten Iulius Civilis zerstört wurde. Besonders an der östlichen, südlichen und nördlichen Lagerseite lassen Luftbildbefunde die Positionen einiger hölzerner Turmstellen erkennen, so dass jetzt die gesamte Anordnung der Türme dieses Legionslagers rekonstruiert werden kann. Die Abstände sind im vorderen und hinteren Lagerbereich unterschiedlich; sie betragen 67 m in der praetentura und 77 m in der retentura. An den Schmalseiten des Lagers waren die Wehrtürme in kürzeren Abständen von ungefähr 59 – 60 m aufgestellt. Diese Zwischentürme, die von vier starken Eckpfosten getragen wurden, hatten einen quadratischen Grundriss von ungefähr 3,00 x 3,00 m. Demgegenüber bestanden die 6,00 x 3,50 m großen Türme in den abgerundeten Lagerecken aus sechs Holzpfosten. Alle Wehrtürme waren in die ebenfalls deutlich erkennbare Holzerdeumwehrung integriert. Aufgrund der ermittelten Abstände lässt sich die Gesamtzahl der Wehrtürme auf 42 rekonstruieren, zu denen weitere acht Türme der vier großen Toranlagen hinzukommen. Die Lagerbefestigung selbst setzt sich aus zwei Spitzgräben zusammen, die einer ungefähr 3 m breiten, zweischaligen Holzerdeumwehrung vorgelagert sind. Auf der Lagerseite schließt sich das intervallum – ein in der Regel unbebauter Zwischenraum – mit der inneren Wallstraße (via sagularis) an.