Die Gräber Roms im 1. und 2. Jh. n. Chr. – Eine Analyse des heterogenen Bestattungswesens.




Ein Projekt von: Clarissa Blume-Jung (clarissa.blume@rub.de)

 

Auch wenn wir in unserem heutigen Kulturraum zwischen unterschiedlichen Bestattungsvarianten wählen und verschiedene Grabtypen finden können, bleibt das allgemeine Erscheinungsbild der Friedhöfe nach wie vor durch die typischen Reihengräber geprägt. Letztere waren das Ergebnis einer Reform in der ausgehenden Zeit der Aufklärung. Ausgelöst durch hygienische Notwendigkeiten, wurden Bestattungen ab dem späten 18. und frühen 19. Jh. n. Chr. nicht mehr in Kirchhöfen vorgenommen, sondern in Arealen vor den Toren der Stadt und zwar nicht mehr wie so oft als Merfachbelegungen in immer wieder geöffneten Gräbern, sondern Grab für Grab in einer Reihe. Dass dieses nun genormte Reihengrab auch mit der aufklärerischen Grundidee der Gleichheit aller Menschen einherging, passte gut in die Zeit.

Es ist ein interessantes Phänomen, dass eine so heterogene Gesellschaft, wie die unsrige, eine nur enge Auswahl an Bestattungs- und Grabvarianten aufweist. Dies steht im klaren Kontrast zu der ebenfalls äußerst heterogenen Gesellschaft Roms im 1. und 2. Jh. n. Chr., welche eine außerordentlich hohe Vielfalt an Bestattungsvarianten, Grabtypen und Arten von Bestattungsarealen aufwies.

Da sich die Klassisch Archäologische Wissenschaft in der Vergangenheit jedoch insbesondere den monumentalen und/oder aufwendig dekorierten Grabbauten widmete, die meist an den Ausfallstraßen lagen, ging die Wahrnehmung der eigentlichen Heterogenität des Bestattungswesens im 1. und 2. Jh. n. Chr. verloren.

Es ist daher zum einen das materialimmanente Ziel der Arbeit, die Vielfalt der Möglichkeiten im Bestattungswesen der Zeit herauszuarbeiten. Präsentiert werden dahingehend zum Beispiel Grabvarianten von einfachsten Körperbestattungen im Boden mit ephemeren Grabmarkierungen, kleine, nicht begehbare Grabarchitekturen für die Einstellung von Urnen, bis hin zu großen und monumentalen Grabbauten, wie auch die diversen Bestattungsareale Roms, wie Gräberfelder, Nekropolen mit stadtähnlichem Aufbau wie auch Gräberstraßen.

Auf dem Material basierend soll analysiert und diskutiert werden, welche Faktoren die einzelnen Entscheidungen bei einer Bestattung (Bestattungsart, Grabart, Art des Bestattungsareals, Lage im Bestattungsareal) beeinflusst haben könnten. Zu überprüfen sind makrosoziale und mikrosoziale Einflüsse, also der Habitus, der als ein nur bedingt reflektiertes Handeln gemäß verschiedener sozialer Gruppenzugehörigkeiten verstanden werden muss, wie auch persönliche Ansprüche, also individuell reflektiertes Handeln bzw. individuelle Entscheidungen, welche gegebenenfalls ein bewusstes Eingliedern in oder Abgrenzen von sozialen Gruppen signalisieren. Zu beachten bleibt zum anderen jedoch auch stets der Rahmen des Möglichen, also die finanziellen Mittel für das Grab, eventuelle Optionen durch bereits existierende Gräber wie auch rechtliche Vorgaben.

 

Sog. Mausoleo a Piramide an der Via Appia. Zwischen der 5. und 6. Meile. Foto: C. Blume-Jung.

Marmorurne der Bovia Procula. 1-2. Jh. n. Chr. British Museum IN
1856,1226.1737. Foto: © The Trustees of the British Museum.