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Jörg Dünne (Erfurt)
Weltherrschaft als Strategiespiel.
Räume des Regierens in Roberto Bolaños El Tercer Reich


Der Vortrag geht der Frage nach der Verbindung von Kriegsspielen und Räumen imperialer Herrschaft am Beispiel eines frühen Romans des chilenischen Autors Roberto Bolaño nach. In dem zu Lebzeiten unveröffentlichten Roman El Tercer Reich (2010, in Deutschland in der Übersetzung von Christian Hansen publiziert unter dem Titel Das Dritte Reich , 2011) manifestiert sich bereits die dauerhafte Obsession Bolaños mit dem deutschen Nationalsozialismus, die auch für seine späteren Romanen prägend ist. Ein zentrales Moment des Plots bildet ein war game aus den siebziger Jahren, in dem der zweite Weltkrieg ergebnisoffen neu durchgespielt wird.

Das Kriegsspiel hat, so die leitende Vermutung, möglicherweise eine doppelte Funktion: Einerseits werden in ihm historische Wirklichkeiten scheinbar banalisiert, wenn ein blasser schwäbischer Angestellter namens Udo in einem touristischen Nichtort seine zweite Existenz als Kriegsspiel-Experte kultiviert. Gleichzeitig verweisen Bolaños Spielwelten aber auch auf ein Phantasma der imperialen Weltherrschaft im Zeichen des Transfers von Gewalt und Schrecken. Die Spielfläche wird hierbei zur Matrix eines von Europa nach Amerika disseminierenden Gespensts des Imperialismus, das beispielsweise in den Phantasien eines "Vierten Reich" auf amerikanischem Boden in La literatura nazi en América (1996, dt. Die Naziliteratur in Amerika , 1999) oder in der Figur des Carlos Wieder, dem chilenischen ,Wiedergänger' faschistischer Kriegsästhetik in Estrella distante ( 1996, dt. Stern in der Ferne , 2000 ), fortlebt.

Jörg Dünne ist Professor für Romanistische Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt. Forschungsschwerpunkte: Französischsprachige Literatur der Moderne (vgl. Asketisches Schreiben , 2003), spanischsprachige Literatur der Frühen Neuzeit (vgl. Die kartographische Imagination , 2011), kulturwissenschaftliche Raumforschung (vgl. Raumtheorie , Mithrsg., 2006). Aktuelle Projekte widmen sich Weltreisen zwischen Netzwerk- und Spieltheorie sowie der Verbindung von Spekakularität und Katastrophismus.