MENSCHEN

Auf dem Territorium des heutigen Permer Gebiets lebten und leben neben Russen finno-ugrische Völker (Komi-Permjaken (Permjaken), Udmurten (Wotjaken), Mari (Tscheremissen), Mansen (Wogulen) und Turkvölker (Baschkiren und Tataren).


Bewohner des Dorfes Kalinino

Die Kolonisation des Mittleren Ural durch russische Bauern verlief weitgehend friedlich. Die dort lebenden Komi-Permjaken besiedelten die Gegend nur dünn. In ihrem ethnischen Kerngebiet verschmolzen sie mit den russischen Siedlern; darüber hinaus bestanden drei kleinere, isolierte Siedlungsgebiete der Komi-Permjaken. Eines davon verlor sich in der Sowjetzeit; in den beiden anderen Territorien - am Fluss Jaswa und am Oberlauf der Kama gelegen - erhält sich bis auf den heutigen Tag ein ethnisches Selbstbewußtsein, verbunden mit einer Reihe kultureller Eigenheiten. In einigen Gegenden hatte die zum Permer Zweig der finno-ugrischen Sprachfamilie gehörende Sprache der Komi-Permjaken Einfluß auf die Dialekte der russischen Siedler. Dort wurden beispielsweise russisches /f/ durch [p], russisches /ch/ durch [k] ersetzt.

Seit der Mitte des 18. Jh. besiedelten Russen Gebiete, auf denen das kleine Volk der Mansen heimisch war. Es wurde weitgehend assimiliert; bereits Ende des vorigen Jahrhunderts beherrschten viele Mansen ihre eigene Sprache nicht mehr. Zur gleichen Zeit stellten Beobachter fest, daß sie sich weder in der Kleidung, der Art des Hausbaus noch in den Wirtschaftsformen von der russischen Bevölkerung unterschieden. Nur die Loswa-Mansen, die im Gebiet von Werchoturje lebten, tradierten ihre ethnische Herkunft. Zu Beginn unseres Jahrhunderts zogen sie weiter in den Norden, an die Nördliche Soswa; dort leben noch heute ihre Nachkommen. 1989 gab es in der gesamten Russischen Föderation noch 8300 Mansen.

Die Mari bildeten im 18. Jh. zwei große territoriale Gruppen, die an den Flüssen Sylwa und Ufa lebten. Sie wurden vor allem von den Baschkiren und Tataren beeinflusst; es gab kaum Entlehnungen aus dem russischen Kulturbereich. Lediglich die russische Sprache fand als Verkehrssprache unter den Mari Verbreitung.

Einen starken Einfluß hatten die volk-und bodenreichen Baschkiren auch auf die Udmurten. Eine Bittschrift der Udmurten an den Zaren aus dem Jahre 1812 läßt darauf schließen, daß Baschkiren versuchten, udmurtischen Landbesitz an sich zu reißen. Das Verhältnis zu den seit Beginn des 19. Jh. auf udmurtischem Gebiet siedelnden Russen war zunächst von tiefem Mißtrauen geprägt.

Die im Süden des Urals gelegenen Gebiete gehörten dem Turkvolk der Baschkiren. Einen Teil ihres Bodens überließen sie den eingewanderten Tataren, Udmurten, Mari und Meschtscherjaken zur Pacht. Wohl nicht zuletzt dadurch übten die Baschkiren einen starken kulturellen, auch sprachlichen, und wirtschaftlichen Einfluß auf diese Völker aus; ein Teil der Tataren nannte sich schließlich baschkirische Tataren. Das Pachtverhältnis auf bashkirischem Boden führte zur Herausbildung einer multiethnischen Gemeinschaft, den Tepteri. Sie wurde in den Volkszählungen des 19. Jh. und letztmalig 1909 als eigenständige Volk behandelt; 1857-58 wurden 8712 Tepteri gezählt. Heute ist man eher der Auffassung, das die Tepteri auf Grund ihrer ursprünglischen ethnischen Heterogenität eine spezifische soziale Gruppe bildeten, vergleichbar etwa mit den Kosaken. Im Süden des Urals existierte denn auch ein ausgeprägtes Selbstverständnis der „teptjary", wie sie sich dort selbst nannten.

Auf der Krim, so eine Überlieferung, haben die Meschtscherjaken ihren Ursprung. Anderen Auffassungen zufolge gehen sie auf den finno-ugrischen Stamm der Meschtschera zurück. Sie sind - wie die Baschkiren - Moslems und stehen ihnen sowohl in Sprache wie Lebensweise sehr nahe. 1870 gab es im Permer Gebiet 1820 Meschtscherjaken. Offenbar sind sie später von den Baschkiren assimiliert worden.

Marion Krause


Im Gespräch mit Dorfbewohnerinnen