Tim B. Müller

Continuities and Contexts: Ideas of Democracy post-1918

Abstract

Historische Annäherungen an den Begriff und die unfassbare „Sache“ der Demokratie waren und sind zumeist auch weiterhin von impliziten oder expliziten normativen Annahmen und unhistorischen Konzeptionen gekennzeichnet. Das scheint sich gerade zu ändern: Es wird möglich, die Demokratie als von vielfältigen Vorstellungen geleitete offene Praxis zu untersuchen, die sich für historische Momente analytisch fixieren lässt, aber keine starre Form („westliche Demokratie“ etc.) annimmt. Der Vortrag nimmt Demokratiegründungen nach dem Ersten Weltkrieg in den Blick und versucht dabei, auf konventionelle Deutungsmuster zu verzichten: auf Dichotomien wie Staat vs. Bürger, auf geographische Kategorisierungen (deutscher, französischer, angelsächsischer etc. Weg zur Demokratie) oder auf gängige Verweise auf nationale Kontinuitäten. Stattdessen werden der internationale Kontext und die Gleichzeitigkeit der Entwicklung betont, dabei die Vielstimmigkeit und Offenheit der Diskussion herausgestellt und auch auf den Kontinuitätsbegriff nicht völlig verzichtet, insofern zeitgenössische Demokraten nicht allein das radikal Neue ihres Handelns betonten, sondern sich selbst auch in eine Geschichte der modernen, im Revolutionszeitalter beginnenden Demokratie einschrieben. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht die wenigen „kanonischen“ Denker der Zwischenkriegszeit, sondern die in den politischen Kontexten jener Jahre viel relevanteren demokratischen Akteure und deren politisches Denken. Dieser Vortrag versteht sich als ein Plädoyer sowohl für eine intellectual history politisch Handelnder als auch für eine nicht-teleologische, nicht-normative Geschichte der Demokratie, die bei den Visionen und Vorstellungen des Politischen ansetzt.