Prähistorische Salzgewinnung am Dürrnberg/Hallein, Österreich

Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Stöllner
Email: thomas.stoellner@rub.de


Der Dürrnberg – etwa 20 km südlich von Salzburg gelegen – zählt zu den bedeutendsten eisenzeitlichen Fundorten Mitteleuropas: Zeugnisse des späteisenzeitlichen (latènezeitlichen) Salzbergbaues und reich ausgestattete Gräber vermitteln eine Vorstellung von den sozialen Verhältnissen und der geistigen Kultur der Salzbergbaumetropole. Teilweise sehr gut erhaltene zeitgleiche Siedlungsstellen geben über Art und Umfang der mit dem Salz verbundenen Handwerke und Gewerbe Auskunft. Durch diese einmalige Verknüpfung unterschiedlicher archäologischer Fundquellen ist das Bergbauensemble Dürrnberg wie geschaffen für wirtschaftsarchäologische Studien mit Modellcharakter.
Brettchengewebter Ärmelsaum aus dem Georgenbergstollen
Abb. 01: Brettchengewebter Ärmelsaum aus dem Georgenbergstollen.


Ausgrabungen im untertägigen Salzbergwerk

Die prähistorische Salzwirtschaft ist nach heutigem Wissensstand vielfältig in das voralpine und inneralpine Umland eingebunden und scheint ertragsseitig stark vom Fernhandel abhängig gewesen zu sein. Seit 1990 finden Untersuchungen zur Versorgung dieses alpinen, eisenzeitlichen Großbetriebes statt: Die Ausdehnung und Siedlungsrandlagen des Fundplatzes werden mit modernen Prospektionsmethoden erfasst: So stieg die Anzahl der Fundstellen in den letzten Jahren erheblich an.
Die archäologischen Ausgrabungen konzentrieren sich besonders auf das untertägige Salzbergwerk. Prähistorische Abbaubereiche sind dank des noch aktiven Salzbergbaus zugänglich. Allerdings verfallen die Strecken fortlaufend: Von den 74 historisch überlieferten archäologischen Fundstellen sind nur noch sechs erreichbar. Hier konnten wir mit Unterstützung der „Salinen Austria“ intensive, mehrjährige Grabungsarbeiten durchzuführen und Teilbereiche der großen Steinsalzabbaue freilegen.





Erfahrungsbericht einer Praktikantin

Meine erste Grabung unter Tage

Meinen ersten Eindruck vom Georgenberg-Stollen werde ich nicht vergessen- ein kühler Luftzug, der einem entgegenkommt und Salzkristalle wie Schnee entlang der Schienen. Ich tue es meinem Vordermann gleich, neige den Kopf nach vorne und die Arme nach hinten. Schritt für Schritt fahren wir tiefer in den Berg ein, vorbei an der Maria mit angezündeter Kerze, über Kies und Holzbretter. In der Steigerstube folgt die Vorbesprechung und erste Sicherheitseinweisung. In den darauffolgenden Tagen geht es an die Arbeit. Jeder Tag beginnt mit dem Umziehen in der Kaue. Zur Ausrüstung gehören ein Helm mit Geleucht, Sicherheitsschuhe, Arbeitskleidung und Handschuhe. Weitere Utensilien wie Ohrstöpsel, Staubmasken oder Schutzbrillen stehen im Berg zur Verfügung. Die Stöße sind von Braun- und Grautönen durchzogen und es handelt sich überwiegend um eher weiches Material. Teilweise ist weiß-oranges Salz zu sehen. Werden die Stöße vom Geleucht angestrahlt, schimmern viele kleine Salzkristalle. Das tonige Material mit dem Hauklein und Exkrementen enthält die Funde; Abfälle, die während der Arbeit auf dem Boden liegen geblieben sind. Wir sind am häufigsten auf Leuchtspäne gestoßen, ab und zu auch ein Stück Leder, welches wie alle organischen Materialien gut im Salz erhalten bleibt.

In den ersten zwei Wochen wird Vortrieb gemacht. Das wichtigste Werkzeug ist hierbei der Abbauhammer. Im Berg ist es meistens laut, man muss manchmal schreien, um sich verständigen zu können. Als ich zum ersten Mal das Dröhnen des Hammers gehört habe, hatte ich das Gefühl der Schall bringe die Stöße zum Schwingen. Es ist auf jeden Fall das spannendste Werkzeug unter Tage. Ab der dritten Woche wurde mit dem Putzhammer gearbeitet. Mit ihm werden die Wände geglättet, um die Profile erkennen zu können. Bei härterem Material ist das kein Problem, doch im Tonigen bricht gerne einmal ein Stück heraus und man muss sehen. wie man die Fläche wieder glatt bekommt.

Ich habe auf der Lehrgrabung sehr viel Neues kennengelernt und schöne Erfahrungen gesammelt. Neben dem ersten Anfertigen einer Profilzeichnung und dem Setzen neuer Messpunkte, wurde mir auch viel über die Handhabung eines Abbauhammers vermittelt. Die Arbeit unter Tage hat mir sehr gefallen. Es war ein Abenteuer, das ich jederzeit wiederholen würde. Vielen Dank an ein tolles Grabungsteam, mit dem die Arbeit großen Spaß gemacht hat.

Text: Marie-Luise Feldmann, im Juli 2019



Arbeiten im Georgenberg-Horizont

Unsere Forschungen im sogenannten „Georgenberghorizont-Vorhaupt“ ergaben beispielsweise, dass hier bereits im 5./4. Jahrhundert v. Chr. Salz abgebaut wurde. Durch den Einbruch einer Mure (Schlamm-Geröll Lawine) fanden die damaligen Arbeiten ein jähes Ende, bevor der Bereich dann im 3. Jahrhundert. v. Chr. erneut geöffnet wurde. Noch erhaltene, kleinere Strecken und Schächte stammen aus dem Mittelalter – zwischen 1300 und 1500 n. Chr.
Bei unseren Arbeiten im Georgenberg-Horizont kommt es immer wieder zu Überraschungen: So entdeckten wir an der Unterkante des Abbaus eine weitere, salzreiche Haukleinschicht (sog. kerniges Heidengebirge). Aufgrund ihrer stratigrafischen Lage betrachteten wir sie zunächst als der älteren Phase zugehörig. Dendrochronologischen Datierungen an Leuchtspänen zufolge ist sie aber jünger und gehört in die Mittellatènezeit; es handelt sich also um eine Unterfahrung und somit eine Ausweitung des Grubenbaus in dieser Zeit. Unsere Untersuchungen belegten, dass diese jüngere Bergbauphase im Georgenberg noch großflächiger als jene der vorangegangenen Späthallstatt-/Frühlatènezeit gewesen sein muss. Solche Ergebnisse sind unserem mittlerweile 35 m langen und über 20 m hohem Profil zu verdanken; es ist bisher das größte im Salinar.

2018 4 No-gesamtprofil
Lupe
Abb. 02: Plan der Fundstelle Georgenberg.
Abb. 02: Plan der Fundstelle Georgenberg.

Die "Ferro-Schachtricht"

An der sogenannten Fundstelle „Ferro-Schachtricht“ konnten wir den beinahe 200 m tiefen Salzabbau in seiner ganzen, sehr raumgreifenden Struktur dokumentieren: Zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. fand der Abbau sogar in einer Art Zweietagenbetrieb statt.



Einblick in das Leben der Bergleute

Durch die konservierende Wirkung des Salzes haben sie sich viele organische Funde Untertage erhalten: Bunte Textilien, Leder- und Fellreste der Bekleidung, Gerätschaften aus Holz und vieles mehr liefern Informationen zu den damaligen Arbeitsumständen. Mittels archäobotanischer Untersuchungen dieser Funde können wir ein differenziertes Bild über die Versorgungslage des Bergbauorts zeichnen: Wir erhalten Hinweise zur Saisonalität der Salzproduktion, zur Größe und Zusammensetzung der Arbeitsmannschaften sowie den Gesundheitszustand der Bergleute. Sie litten offenbar an Darmparasiten wie Untersuchungen an den zahlreichen, konservierten Exkremente belegen.

Fellkappe
Abb. 03: Laténezeitliche Fellkappe in situ





Laténe-Fibel
Abb. 04: Laténe-Fibel aus dem Georgenberg


Dendrochronologie verrät Details über den Bergbau

Dendrochronologische Ergebnisse vermitteln einen guten Eindruck davon, mit welchen zeitlichen Dimensionen und welchen Produktionskapazitäten gerechnet werden muss: Nach vorsichtigen Kalkulationen waren zur Blütezeit des Bergbaues mindestens fünf Salzgruben gleichzeitig in Betrieb, jede mit Belegschaften von mindestens 30 bis 60 Bergleuten.