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Nachrichtendienstgeschichte im frühen Kalten Krieg

Allen W. Dulles



Allen W. Dulles (1893-1969) begann seine Karriere zunächst im diplomatischen Korps der USA, bevor er gemeinsam mit seinem Bruder, dem späteren US-Außenminister John F. Dulles, in den 1930er Jahren ins Bankengeschäft wechselte. Wie sein Bruder verfolgte auch Dulles zunächst eine politische Karriere: 1938 bewarb er sich erfolglos um einen Sitz im Kongress, 1940 arbeitete er für die Wahlkampagne von Wendel Lewis Wilkie, der sich als republikanischer Kandidat um den Einzug in das Weiße Haus bewarb, allerdings dem Demokraten Harry S. Truman unterlag.

Im Herbst 1941 übernahm Dulles die Büroleitung des „Office of the Coordinator of Information“ (COI), einer neu eingerichteten Koordinierungsstelle für die unterschiedlichen US-Nachrichtendienste, der William J. Donovan vorstand. Nach der Gründung des OSS erhielt Dulles den Auftrag, in die neutrale Schweiz überzusiedeln und dort als OSS-Kontaktperson für Flüchtlinge aus dem Dritten Reich, NS-Regimegegner und Überläufer zu fungieren und so Einblicke in die internen Vorgänge und Zustände des Dritten Reiches zu erhalten. Seinen wichtigsten Kontakt bildete der deutsche Diplomat Fritz Kolbe, der Dulles zwischen 1943 und 1945 zahlreiche Dokumente über deutsche Waffenprogramme, strategische Planungen der Wehrmacht und den Holocaust zukommen ließ. Im Frühjahr 1945 verhandelte Dulles im Rahmen der „Operation Sunrise“ mit Karl Wolff, General der Waffen-SS, über eine vorzeitige Kapitulation der deutschen Truppen in Italien, die schließlich auch wenige Tage vor dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkrieges, am 2. Mai 1945, in Kraft trat.

Nach Kriegsende ging Dulles zunächst nach Berlin, um dort eine Einrichtung des OSS aufzubauen, bevor er nach der von Truman verfügten Auflösung des Dienstes im Oktober 1945 in die USA zurückkehrte. Dulles plädierte vehement für die dauerhafte Institutionalisierung eines US-Auslandsnachrichtendienstes, übernahm aber zunächst keinen Posten in der 1947 gegründeten CIA. Erst 1950 ernannte CIA-Direktor Walter Bedell Smith Dulles zum Direktor für spezielle Operationen. Zu seinen Aufgaben zählten unter anderem das Einschleusen westlicher Agenten in die Staaten des Warschauer Pakts und vor allem der Aufbau und die Koordinierung von Stay-Behind-Netzwerken in Mittel- und Westeuropa.

1953 machte der neu gewählte republikanische Präsident Dwight D. Eisenhower Dulles zum ersten Zivilisten auf dem Posten des Direktors der CIA, den er bis 1961 innehatte. In seine Zeit fielen der Sturz des iranischen Premierministers Mossadegh und die missglückte Landung in der kubanischen Schweinebucht. Zum deutschen Bundesnachrichtendienst hielt Dulles gute Kontakte. Nach der Verhaftung Adolf Eichmanns durch den israelischen Nachrichtendienst Mossad reiste BND-Präsident Gehlen zu einem persönlichen Gespräch mit Dulles nach Washington, nachdem die deutsche Regierung befürchtete, dass Eichmann im bevorstehenden Prozess kompromittierende Informationen u. a. über Kanzleramtschef Hans Globke preisgeben könnte. Mit seinen Bemühungen, den Prozess gegen Eichmann verhindern zu können, hatte Gehlen in Washington allerdings keinen Erfolg.

Nach seinem Rücktritt 1961 kehrte Dulles noch einmal auf die große Bühne zurück, als er nach der Ermordung Kennedys in die Warren-Kommission berufen wurde, die die Umstände und Hintergründe des Attentats aufklären sollte.


Weiterführende Literatur:

  • Kerstin von LINGEN: Allen Dulles, the OSS, and Nazi War Criminals: The Dynamics of Selective, New York 2013.

  • Nesal H. PETERSEN: From Hitler’s Doorstep: The Wartime Intelligence Report of Allen Dulles, University Park, PA, 1996.

  • James SRODES: Allen Dulles. Master of Spies, Washington DC 1999.