Thomas Hecken/Axel Spree (Hrsg.):

Nutzen und Klarheit
Anglo-amerikanische Ästhetik im 20. Jahrhundert

Paderborn, mentis-Verlag 2002 (KunstPhilosophie Bd. 3, herausgegeben von Reinold Schmücker und Axel Spree) 2002.

Der Band behandelt ästhetische Positionen aus dem englischsprachigen Raum vor dem Hintergrund der Entwicklung der anglo-amerikanischen Philosophie im 20. Jahrhundert. Er beleuchtet damit ein Panorama einer bis heute in Deutschland unterschätzten, sehr vielseitigen und facettenreichen Tradition ästhetischen Denkens. Von besonderem Interesse für die deutschsprachige Diskussion ist die Tatsache, daß die in Rede stehende Tradition durchaus als Gegengewicht zu irrationalistischen Positionen postmoderner Konvenienz verstanden werden kann, ohne daß sie sich eines 'ästhetischen Revisionismus' schuldig machen würde. So arbeiten Autoren wie George Dickie, Nelson Goodman oder Arthur C. Danto zwar ebenfalls an einer Überwindung harter analytischer Traditionen, gleichwohl bewahren sie deren Klarheit und Stringenz als Erbe. In der Abwendung von einer reinen sprachanalytischen Ästhetik und der Öffnung gegenüber dem Feld ästhetischer Phänomene im allgemeinen und insbesondere gegenüber der Pop- und Massenkultur erweisen sich diese Autoren als modern und zeitgemäß.
    
Die pragmatistischen wie neopragmatistischen Arbeiten sind nicht zuletzt deshalb bislang eher selten unter dem Blickpunkt der Ästhetik behandelt worden, weil sie nicht immer unter diesem Disziplinentitel laufen. Die Ästhetik steht trotzdem im Mittelpunkt des hier vorgestellten pragmatistischen Denkens, weil sie von der Begrenzung spezifischer Wahrnehmungs- oder gar Kunstbetrachtung befreit wird und dadurch das ganze Feld der Reflexion einnimmt. So geht z. B. William James davon aus, daß der "Welt" eine "epische" Betrachtungsweise angemessen sei; seine Konzeption des "pluralistischen Universums" und des "Stroms" der Erfahrungen mündet in eine Apologie der zwar miteinander verwobenen, nicht jedoch vollständig zu vereinheitlichenden "Teilgeschichten". Auch bei John Dewey - bei ihm nun als separater Titel "Kunst als Erfahrung" ausgewiesen - findet man die ästhetische Erfahrung als entscheidende Vermittlung zwischen Sprache und Welt angesetzt; im Unterschied zu James betont er jedoch stärker die integrale, ganzheitliche Dimension dieser grundlegenden Erfahrung. In einer der letzten Volten abendländischen Denkens geht es schließlich Richard Rorty darum, die Trennung der ästhetischen von anderen "objektiven" Urteilen aufzuheben, nicht mit der Folge, daß die Ästhetik in den Rang einer Wissenschaft erhoben, sondern daß die Wissenschaft zu einer Art Ästhetik umfunktioniert wird. Er verzichtet konsequent auf das Mittelglied der Erfahrung und geht statt dessen affirmativ von stetigen "Neubeschreibungen" der Welt aus, von denen allgemein zu sagen sei, daß sie keine Gegenstandsrepräsentationen lieferten, sondern immer neue Sprachspiele.
    
Insgesamt liefert der Band am Beispiel ausgewählter Autoren eine schlaglichtartige Darstellung der Entwicklung der anglo-amerikanischen Philosophie im 20. Jahrhundert vom Pragmatismus über die analytische Philosophie (und insbesondere die analytische Ästhetik) hin zu post-analytischen und neo-pragmatistischen Ansätzen. Angesichts der Tatsache, daß manche der behandelten Autoren in Deutschland gar nicht (z.B. George Dickie) oder jedenfalls nicht als Ästhetiker (z.B. Richard Rorty) bekannt sind, sind die Beiträge des Bandes angelegt als ausführliche Darstellungen zu einzelnen Autoren mit grundsätzlich einführendem Charakter. Dies schließt freilich eine aktuelle Positionierung und Problematisierung der jeweiligen Position nicht aus.

Die Beiträge im Einzelnen:

Thomas Hecken/Axel Spree: Einleitung (7-18)

Thomas Hecken: William James. Die epische Welt (19-32)

Werner Strube: Klassische Analysen der ästhetischen Sprache. Zur Ästhetik Wittgensteins, Macdonalds und Sibleys (33-61)

Ralf Hinz: John Deweys pragmatistische Ästhetik und ihre Revitalisierung durch Richard Shusterman (62-90)

Dimitri Liebsch: Die Institutionstheorien George Dickies (91-123)

Axel Spree: Erkenntnistheorie der Kunst. Die symboltheoretische Ästhetik Nelson Goodmans (124-151)

Gerhard Plumpe: Kann man Kunst erkennen? Arthur C. Dantos Ästhetik der Transfiguration (152-172)

Thomas Hecken: Ästhetisierte Erkenntnistheorie und moralisierte Literaturkritik. Die pragmatistische Ästhetik Richard Rortys (173-199)